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Angela Merkel besuchte am 13. August 2013 ein Berliner Gymnasium.

© dpa

Bundestagswahl 2013: Wie der Wahlkampf Berlins Schulen erreicht

Geschichtsunterricht mit Angela Merkel, SPD-Brotdosen für Schulanfänger: An Berlins Schulen werben Kandidaten um Stimmen – und streiten wie im Fernsehen.

Der Wahlkampf hat längst den Unterricht an Berliner Schulen erreicht. Dabei ist ein Werben vor der Bundestagswahl am 22. September direkt auf dem Schulgelände eigentlich verboten. Nur als „sinnvolle Ergänzung zum Unterricht“ dürfen Politiker dort auftreten. Diskussionen mit Direktkandidaten an der Gustav-Heinemann-Schule in Tempelhof-Schöneberg und der Hans-Böckler-Schule in Kreuzberg zeigen, dass sich Wahlkampf und Unterricht in der Praxis gut vermengen lassen.

Was Martin Lindner, Kandidat der FDP für Tempelhof-Schöneberg, an diesem Vormittag in die Mikrofone im Theaterraum der Gustav-Heinemann-Schule auch sagte, es blieb nicht unwidersprochen. Nicht seine Forderung, deutsche Geheimdienste sollten die deutsche Wirtschaft mit Informationen über ausländische Firmen versorgen und „mehr supporten“. Auch nicht seine Forderung, die Bundeswehr habe das „hohe wirtschaftliche Niveau“ Deutschlands am Hindukusch oder anderswo auf der Welt zu verteidigen. Neben ihm nämlich saßen die anderen Kandidaten des Bezirks, Renate Künast (Grüne), Stefan Liebig (Linke), Mechthild Rawert (SPD) und Jan-Marco Luczak (CDU), der bei der letzten Wahl das Direktmandat geholt hatte. Sie gaben Kontra, diskutierten und ordneten ein, was Lindner den Schülern vorsetzte.

In den Schulen lassen sich die Kandidaten kaum vom Wahlkampf-Modus abbringen

„Ich traue Ihnen zu, dass Sie es einordnen können, wenn hier Politiker reden“, sagte Lindner zu den Schülern. Dabei ging es eigentlich darum, was er davon halte, dass auch die Bundeswehr an Schulen um Nachwuchs wirbt. Sein Beispiel jedoch passte. Denn so sehr die Schüler auch Fragen zu Sachthemen vorbereitet hatten, zu NSA und sozialer Gerechtigkeit, so wenig ließen sich die Kandidaten vom Wahlkampfmodus abbringen und erteilten den Oberstufenschülern eine Lektion im Schaukampf:

„Ich würde mich schämen, hätte ich je aus wirtschaftlichen Interessen für einen Bundeswehreinsatz gestimmt“, sagte Rawert und zeigte auf Luczak und Lindner. Lindner giftete zurück, die Welt sei eben komplizierter, „als Sie sich das im Sozialismus vorstellen“, und musste sich von Liebig anhören, die FDP sei eine „verfassungsfeindliche Splitterpartei“. Ein Raunen ging durch die Reihen der Schüler. Aber so ist Wahlkampf nun mal eigentlich. Fernab vom glatt geleckten Polittalk à la Jauch und Illner herrscht noch verbaler Krieg an den ideologischen Fronten. Für die Schüler transparent aufbereitet.

Als Angela Merkel ihren Wahlkampf in einer Schule begann, widersprach ihr niemand

Weitere Kandidaten und auch andere Schulen folgen noch. Die Hans-Böckler-Schule in Kreuzberg etwa lud die Kandidaten Cansel Kiziltepe (SPD) und Helmut Metzner (FDP) zum offenen Streiten ein und will die Reihe fortsetzen.

Als Angela Merkel ihren Wahlkampf in der Heinrich-Schliemann-Schule in Prenzlauer Berg begann und über den Mauerbau referierte, widersprach ihr niemand. So berichten es Teilnehmer. Und auch, dass Politiker Kindern massenhaft Wahlwerbung in die Schultüte steckten, wurde erst nach dem Blogeintrag einer wütenden Mutter öffentlich diskutiert. Auf dem Podium aber gab es Wahlkampf ohne Tricks. Die Schüler dankten mit ehrlichem Applaus.

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