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Schule: Vertauschte Rollen

Schüler bringen Managern bei einem Kursus bei, wie sich Probleme kreativ lösen lassen.

Ganz klar ist auf den ersten Blick nicht, welche der Menschen, die gemeinsam vor einer Flipchart stehen, nun Schüler – und welche junge Manager in Freizeitkleidung sind. Vielleicht trägt gerade das dazu bei, dass sich alle, die am Seminar „Schüler coachen Manager“ teilnehmen – in dieser Reihenfolge –, ziemlich unvoreingenommen begegnen.

Acht Manager und 14 Schüler der Evangelischen Schule Berlin Zentrum sind es, die zwei Tage lang in der European Leadership Academy (ELA) in Tegel in Gruppen zusammenarbeiten. Um die Entwicklung von Kreativität soll es dabei gehen, um komplexe Aufgaben und innovative Lösungen. Das Ganze ist Teil des Führungsprogramms der ELA, einem Programm mit mehreren Modulen für Manager, diesmal aus der Pharma- und Finanzbranche, der Pflege, der Filmindustrie und der Marktforschung. Und in einem der Module sind nun eben Kinder und Jugendliche dabei.

„Für Lösungen von Managementaufgaben in unserer komplexen Zeit reichen herkömmliche Methoden nicht aus“, sagt Guido Fiolka, Geschäftsführer der ELA. Auf dieselben Knöpfe zu drücken bedeute nicht immer, auch dieselben Lösungen zu generieren. Kreativität sei nötig – „und in Bezug auf Kreativität können Manager von Kindern sehr viel lernen.“ Vier Fragen stehen am Anfang des Workshops, die die Manager aus ihrer Berufspraxis mitgenommen haben und die auch für Jugendliche nachvollziehbar sind, darunter „Wie können Firmen Projekte für Gewaltprävention unterstützen?“ und „Was kann ein Profisportler nach Ende seiner Karriere für sich und andere tun?“. Nach zwei Tagen sollen Lösungen auf dem Tisch liegen.

Die fünf Mitglieder der Sportler-Gruppe, drei Schüler und zwei Manager zwischen 13 und 44, sind damit beschäftigt, den Sportler zu erfinden, um den es gehen soll. Er heißt Axel, so viel ist schon mal klar, und noch ist er Profiboxer. Während Evelyn und Katharina, 44 und 17 Jahre alt, sich Gedanken um Axels Zukunft machen, feilt Rasmus an Axels Schwächen: Der Boxer kann einfach nicht entspannen.

Für die Schüler, sagt die pädagogische Leiterin der Schule Caroline Treier, bedeute der Workshop eine wichtige Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. „Für sie geht es um Selbstbewusstsein, Erfahrung und natürlich auch Wissensaneignung“, sagt Treier: In den Recherchephasen der Sportgruppe etwa wird die gesellschaftliche Bedeutung von Ehrenamt besprochen.

Und für die Manager? Für die scheint die Zusammenarbeit mit den Kindern zwar neu, aber durchaus Erfolg versprechend zu sein. „Ein bisschen Ehrfurcht“, sagt Rasmus Symanzik, 26 Jahre alter Gründer eines Online-Start-ups, habe er vorher schon gehabt: „Kinder und Jugendliche können einen ja ganz schön alt aussehen lassen.“ Aber die Schüler brächten „eine tolle Dynamik“ in den Workshop: Sie seien offen, selbstbewusst und meinungsstark, und er sei beeindruckt, wie leicht sie die Perspektiven wechselten – vom Sportler zum Schüler und wieder zurück. Auch aus der Perspektive von Firmen, sagt Evelyn Pieper, technische Leiterin eines Pharma-Unternehmens, könne sie sich vorstellen, Kinder einzuladen, um bestimmte Fragestellungen zu erörtern.

Und auch die Kinder und Jugendlichen selbst haben offensichtlich Spaß an ihren neuen Rollen: „Wir lernen hier, mit fremden Menschen umzugehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten“, sagt der Achtklässler Elias. Und die Methode, Gedanken etwa an Flipcharts zu visualisieren, könne ihm künftig auch bei seinen schulischen Aufgaben helfen. Und konsequent mit Zeit umzugehen, sei auch eine gute Erfahrung: „Es ist viel leichter, sich eine Viertelstunde auf eine bestimmte Fragestellung zu konzentrieren, als eine Stunde lang über allem Möglichen zu brüten.“

Fantasieboxer Axel hat die Zusammenarbeit der Gruppe gutgetan: Er wird eine Art Selbstfindungs-Akademie gründen, damit sich Menschen in ähnlichen Situationen treffen, austauschen und herausfinden können, was sie mit ihrem Leben anfangen möchten. Patricia Hecht

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