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Fotos der "Abgezockt"-Aktion, Glückspielpräventation für Jugendliche, copyright an DAK-Gesundheit

© DAK-Gesundheit

Spielsucht bei Jugendlichen: Parcours klärt Berliner Schüler über Gefahren von Glücksspiel auf

Ohne Verteufelung lernen Jugendliche in Stationsarbeit über die Gefahren von Glücksspielen. Dabei sollen Schutzfaktoren und Resilienz gestärkt werden.

Die Stühle werden zurückgezogen und Hefte ausgepackt. Stimmengewirr verteilt sich im ganzen Raum, während die Aufgabenstellungen durchgegangen werden. Schnell werden Begriffe im Buchstabengitter eingekreist und der Klassenkamerad nebenan fragt nach der Lösung. Die Umgebung ist bekannt, das Thema nicht. An diesem Vormittag beschäftigen sich die Schülerinnen und Schülern der ISS Mahlsdorf mit Glücksspielen.

Dabei wird im „Abgezockt“- Parcours selbst gespielt, gewürfelt und Münzen gesammelt. Bei der Station „Rot oder Gelb?“ zum Beispiel treffen die Jugendlichen eine Vorhersage, auf welche Seite die Münze fällt. Für richtige Antworten tragen sie sich Punkte ein. In der Auswertung erkennen sie schließlich, dass die Münze kein Gedächtnis hat: Die Wahrscheinlichkeit ist immer 50:50.

„Glücksspiele werden im Parcours nicht verteufelt“, erklärt Sophie Schmidt, Leiterein des Präventionsprojektes. „Wir wollen ein Bewusstsein zum Thema Glücksspiele stärken und einen Reflexionsprozess starten.“ Der Parcours dient der Glücksspielpräventation für Jugendliche und wird von der DAK-Gesundheit und der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege unterstützt.

Heide Mutter, Sophie Schmid und Volker Röttsches Leiter der Landesvertretung der DAK-Gesundheit in Berlin

© DAK-Gesundheit

„Abgezockt“ ist ein Pilotprojekt in Berlin und Niedersachsen. Während in Niedersachsen Präventationsfachkräfte zur Verfügung stehen, fehlen in Berlin Ressourcen. Daher wurde der Parcours so überarbeitet, dass er sich selbständig durchführen lässt und das Lehrpersonal keine Schulung benötigt. Informationen und die Materialien werden in einem Rucksack bereitgestellt, welcher von den Schulen ausgeliehen werden kann. In Berlin stehen 13 Rücksäcke zur Verfügung, pro Bezirk ein Rucksack. Über das Kontaktformular auf der Website des Projekts können die Materialien und bei Bedarf individuelle Unterstützung angefragt werden.

Der Einstieg im erfolgt im Plenum mit dem Lehrpersonal, danach können die Schüler:innen zusammen mit dem Parcours-Heft die Stationen selbst bearbeiten. „Wir wollen den Jugendlichen die Möglichkeit geben, sich mit dem Thema Glücksspiel auseinanderzusetzen“, sagt Heide Mutter, Landessuchtbeauftragte der Gesundheitsverwaltung. „Denn trotz rechtlichem Rahmen haben die Jugendlichen Kontakt zu Glücksspielen.“

Glücksspiele sind für Jugendliche besonders anziehend

Mehr als 50 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren haben schon einmal an einem Glücksspiel teilgenommen. Die Grenze zwischen Gambling (Glücksspiel) und Gaming (digitalen Spielen) verschwimmt immer mehr. Die leichte Verfügbarkeit, die vorgeblich großen Gewinnmöglichkeiten bei geringem Geldeinsatz und die interaktiven Elemente machen Glücksspiele für Jugendliche besonders anziehend. Das Ausprobieren und Austesten von Möglichkeiten spielt im Heranwachsen eine weitere entscheidende Rolle. Daher ist der Parcours für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren ausgelegt.

Eine weitere Gefahr besteht in der Normalisierung. Die Jugendlichen werden beim Gaming und in sozialen Netzwerken immer wieder mit Challenges, Freischaltung von Items und kleinen aber direkten Belohnungen konfrontiert. Als Glücksspiel bewerten sie das meist gar nicht.

„Ich habe schon mal Lotto gespielt“, erklärt ein Schüler. Seine Eltern haben ihn einmal einen Lottoschein ausfüllen lassen, mehr Berührungspunkte hatte er bisher nicht. Sein Klassenkamerad meint dagegen: „Ich habe Fifa Packs gekauft.“ Hier sind die jeweiligen Inhalte zufällig, die Spielmechanik wird auch als Lootbox bezeichnet. „Leider habe ich da die schlechten erwischt“, erklärt er, daher habe er es gelassen. Dennoch ist die Suchtgefahr den Jugendlichen bekannt, teilweise erleben sie dies bei ihren Freund:innen. Sie wollen daher lieber erst gar nicht anfangen und distanzieren sich davon.

Glücksspiele sind in Deutschland erst ab 18 Jahren erlaubt. Seit 2021 sind auch Online-Glücksspiele legal, sofern die Anbieter eine deutsche Lizenz haben. Dabei sind Online-Glücksspiele besonders riskant, da sie ständig und ortsunabhängig verfügbar sind sowie bargeldlos über vielzählige und einfache Bezahlungsmöglichkeiten genutzt werden können.

Zudem greifen soziale Kontrollmöglichkeiten aufgrund der Anonymität nur schwer. Simulierte Glücksspiele in Handy, PC- und Videospielen – wie sogenannte Lootboxen – nehmen immer mehr zu und gelten rechtlich nicht als Glücksspiel, weshalb junge Erwachsene hier nicht geschützt sind.

Der Nervenkitzel beim Glücksspiel hat für viele Menschen einen gewissen Reiz und Unterhaltungsfaktor. Auch für die Jugendlichen: „Ein Gewinn macht automatisch mehr Spaß, aber man hat nicht immer Glück.“ Im Parcours und Abschlussplenum wird daher auch über Schutzfaktoren gesprochen. Die von Schmid genannte „Mauer vor der Sucht“ besteht aus einem gesunden Selbstbewusstsein, gefestigten Strategien in Umgang mit Stress, sozialem Rückhalt sowie einer diversen Freizeitgestaltung.  

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