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Neues Konzept: Gymnasien fordern Sozialarbeiter

Auch Gymnasiasten haben Schwierigkeiten mit Leistungsdruck, Lehrern und Mitschülern. Die Initiative für Schulsozialpädagogik stellt ein Konzept zur Abhilfe vor

Der zwölfjährige Philipp bekam in seiner Klasse keinen Ton heraus. Seine Noten wurden schlechter, andere Schüler hänselten ihn. Philipp suchte bei der Sozialpädagogin seines Gymnasiums Hilfe. Die baute Vertrauen zu ihm auf, bis er schließlich von der Scheidung seiner Eltern erzählte und davon, dass er zu dick war und von den Mitschülern deshalb als „Schwein“ beschimpft wurde. „Philipp fühlte sich zu Hause und in der Schule ausgegrenzt und hatte überhaupt kein Selbstbewusstsein mehr“, berichtet die Sozialpädagogin Annette Just. Mit gezielter Hilfe wurde es besser.

Annette Just kennt viele solcher Fälle. Die Schulsozialpädagogin und Familienberaterin aus Münster setzt sich seit zehn Jahren für eine sozialpädagogische Unterstützung an Gymnasien ein und stellte jetzt vor Schulräten, Direktoren und Lehrern ihr Projekt in Berlin vor. „Auch Gymnasialschüler haben Schwierigkeiten mit dem Leistungsdruck, mit Lehrern, Mitschülern oder im Elternhaus“, sagt Just. Zudem gebe es viele Gymnasien in sozialen Brennpunkten mit vielen zusätzlichen Problemen.

Um die Situation an den Gymnasien zu verbessern, startete Just 2002 am Münsteraner Ratsgymnasium ein Pilotprojekt und gründete das Institut für Schulsozialpädagogik (ISSP). „Die sozialpädagogische Unterstützung hilft Schülern und entlastet Lehrer“, berichtet Just. Drei Jahre lang baute sie das von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster begleitete Projekt ehrenamtlich auf, an dem heute fünf Oberschulen teilnehmen. Finanziert werden die Stellen durch Stiftungen, Spenden, Fördervereine – und inzwischen auch durch kommunale Mittel.

"Auch an Gymnasien haben Schüler Probleme"

Dass der Bedarf in Berlin unstrittig ist, bestätigt etwa die Schulleiterin des Diesterweg- Gymnasiums in Gesundbrunnen, Brigitte Burchardt. „Wir machen gute Erfahrungen mit einer Sozialarbeiterin“, sagt sie. Finanziert werde diese Stelle – allerdings nur befristet – vom Quartiersmanagement. Andere Schulen behelfen sich damit, einen Teil ihrer Vertretungsmittel für Sozialpädagogen auszugeben. Das ist – bei einer strengen Auslegung der Vorschriften – zwar eigentlich nicht gestattet, aber der Bedarf ist so groß, dass die Schulen darüber hinweggehen. Schließlich, so ihre Argumentation, sei es besser, ein paar Vorschriften zu umgehen, als das Abgleiten von Jugendlichen zu riskieren, das letztlich den Staat viel teurer komme.

Kaum ein Gymnasiallehrer versteht, warum eine Sekundarschule je nach Schülerzahl über bis zu sieben Sozialarbeiter und Erzieher verfügen kann, den Gymnasien aber nicht einmal eine halbe Stelle zugestanden wird. Um nach möglichen Finanzierungswegen zu suchen, ist ein weiteres Treffen geplant (s.u.).

Dass es letztlich wohl keine andere Möglichkeit gibt, als selbst nach Sponsoren oder EU-Mitteln zu fahnden, machte am Montag der Abgeordnete Steffen Zillich (Linkspartei) deutlich: Priorität bei der Unterstützung durch Sozialarbeiter oder -pädagogen hätten nun mal die Sekundarschulen. Im Übrigen könne ja jedes Gymnasium beantragen, Sekundarschule zu werden, so Zillich. Katja Gartz/Susanne Vieth-Entus

Der nächste Termin ist am 27. Mai, 18 Uhr im Literaturhaus, Fasanenstr. 23

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