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Sven und Bianca, beide Lehrer an einer Neuköllner Schule, stehen mit zwei GEW-Flaggen beim Warnstreiks an den Berliner Schulen in Berlin-Kreuzberg vor einem Banner mit der Aufschrift „Kleinere Lerngruppen jetzt!“.

© dpa/Fabian Sommer

Update

Forderung nach kleineren Klassen: Weniger streikende Schulbeschäftigte in Berlin als erwartet

Die Gewerkschaft GEW ruft zu einem dreitägigen Warnstreik für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz auf. Es ist der 14. Ausstand. Erste Forderungen nach fünf Tagen Streik werden laut.

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Die Beteiligung ist zum Auftakt des dreitägigen Warnstreiks schwächer ausgefallen als von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwartet. „Nach unseren Meldungen haben lediglich 2337 Angehörige des pädagogischen Schulpersonals gestreikt, darunter 2260 Lehrkräfte“, teilte die Bildungsverwaltung auf Anfrage mit. Gleichzeitig fordert aber ein harter Kern der Streikbereiten die Ausdehnung auf einen fünftägigen Warnstreik nach den Sommerferien. Darüber könnte am Donnerstag abgestimmt werden.

Zunächst aber ließ sich der Ausstand am Dienstag recht gemächlich an, indem nur etwa jede siebte angestellte Lehrkraft streikte. Die höchste Beteiligung gab es laut Bildungsbehörde erneut in Tempelhof-Schöneberg (303) sowie Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg (je 273), besonders gering war die Beteiligung wieder in Marzahn-Hellersdorf (90), Spandau (116) und Steglitz-Zehlendorf (121).

Die GEW hatte 2500 bis 3000 Streikende erwartet, gab sich aber unbeeindruckt von der schwachen Teilnahme. Sie sprach vielmehr von „tausenden Lehrkräften“, die dem Streikaufruf gefolgt seien und somit der Forderung nach kleineren Klassen Nachdruck verliehen hätten. Zum Auftakt gab es am Dienstag Streikcafés und Versammlungen.

GEW-Co-Chef Tom Erdmann Vorsitzender erinnerte daran, dass die CDU in ihrem Wahlprogramm kleinere Klassen gefordert habe: „Die CDU stellt jetzt den Bürgermeister, den Finanzsenator und die Bildungssenatorin. Sie könnte also per Schulgesetz die Klassen verkleinern. Dass der Senat das nicht tut, zeigt doch, dass wir ihn nur mit einem Tarifvertrag dazu bewegen können.“

Wir wollen die Klassengrößen an Grundschulen auf 20 und an weiterführenden Schulen auf 25 Schülerinnen und Schüler begrenzen. Dafür werden wir die Obergrenzen im Schulgesetz entsprechend verankern.

CDU-Wahlprogramm

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Erdmanns Kollegin Martina Regulin reagierte auf die Kritik, dass der Streik zwei zentrale Abitur-Nachschreibeklausuren sowie Präsentationsprüfungen tangierte: „Wir haben bei der Streikplanung darauf geachtet, dass vom Ausstand möglichst wenig zentrale Prüfungstermine betroffen sind“, betonte die Co-Vorsitzende. Zwischen Mai bis kurz vor die Sommerferien fänden in den Berliner Schulen aber „nahezu täglich Prüfungen“ statt, ob für das Abitur, den mittleren Schulabschluss, die fachgebundene Hochschulreife oder den berufsorientierenden Abschluss.“

Am Mittwoch will die GEW von der Senatsbildungsverwaltung zum Roten Rathaus ziehen. Am Donnerstag findet die zentrale Streikversammlung im Amphitheater des Mauerparks statt. Dort könnt es dann auch zur Abstimmung über die Ausdehnung des Streiks auf fünf Tage kommen. Dies jedenfalls sieht der „Vorschlag für einen Kampagnenplan“ vor, der dem Tagesspiegel am Dienstag zuging.

Demnach wollen die anonymen Verfasser, dass in der ersten oder zweiten Woche nach den Sommerferien die Schule komplett ausfällt. Diese fünf Tage sollen „zur Vorbereitung eines unbefristeten Streiks“ genutzt werden. Diese Vorbereitung soll etwa darin bestehen, dass „gut organisierte Schulen den nicht so gut organisierten Besuche“ abstatten, also für den Streik agitieren.

Nach dem jetzigen dreitägigen Streik ist eine Ausweitung aus Sicht der Kolleg:innen nur konsequent.

Nuri KIefer, Vorsitzender der GEW-Schulleitungsvereinigung

Die GEW-Führung teilte auf Anfrage mit, sie kenne dieses Schreiben nicht. Nuri Kiefer, der Vorsitzender der GEW-Schulleitungsvereinigung, schrieb dem Tagesspiegel, das sei „kein offizielles Dokument aus der Tarifkommission, sondern wohl von engagierten Kolleg:innen angefertigt worden“.

Nach dem jetzigen dreitägigen Streik sei „eine Ausweitung aus Sicht der Kolleg:innen nur konsequent“, ergänzte Kiefer. Das könne er „nachvollziehen, da auch der neue Senat ja offensichtlich nicht ernsthaft verhandeln will.“ Die Belastungen in den Schulen stiegen „Jahr um Jahr“. Alle Bekundungen der Politik, für Entlastung zu sorgen, hätten sich „weitgehend in Luft aufgelöst oder griffen zu kurz“. Auch der neue Senat handele nicht entsprechend seiner zuvor erklärten Absichten, Lehrkräfte entlasten zu wollen. Es müsse nun „sehr schnell ein Weg gefunden werden, wie echte Entlastungen rechtlich abgesichert werden können, etwa im Schulgesetz“.

Die Lage an den Schulen war am Dienstag sehr unterschiedlich. An manchen Schulen fiel der Unterricht komplett aus. Es gab dann eine Notbetreuung für die Grundschüler, während die Älteren auf sich allein gestellt waren. „Wir fordern einen Tarifvertrag zur Regulierung der Klassengröße“, sagte etwa Ryan Plocher, Mitglied der GEW-Bezirksleitung Neukölln, bei einer der Streikaktionen in Kreuzberg. Auf Transparenten waren Aufschriften wie „Kleinere Lerngruppen jetzt“ oder „Weniger ist mehr“ zu lesen.

Die Thematik steht seit längerem im Raum. Seit Juni 2021 will die GEW die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in einem Tarifvertrag Gesundheitsschutz festschreiben und ruft deshalb immer wieder zu Warnstreiks auf.

Unter 24 Schülerinnen und Schülern seiner Klasse habe er „fünf mit sonderpädagogischem Förderbedarf und vier mit Lese-Rechtschreib-Schwäche“, erklärt Plocher, Lehrer für Englisch und Politikwissenschaften an einer Gemeinschaftsschule in Neukölln. „Ich weiß, dass ich ihren Bedürfnissen nicht nachkomme.“ In einer kleineren Klasse hätte er mehr Zeit, sich um diese Schülerinnen und Schüler zu kümmern, sagte Plocher der Nachrichtenagentur dpa.

„Der Skandal ist, wie häufig Unterricht ausfällt wegen Krankheit, wegen Burnout, wegen fehlendem Personal. Das ist der tatsächliche Skandal“, sagte Plocher zu den Unterrichtsausfällen aufgrund des Streiks. „Berlin ist nicht in der Lage, schnell genug Schulen zu bauen und nicht in der Lage, Lehrkräfte längerfristig auszubilden.“

An anderen Schulen war der Streik kaum zu merken. So berichtete Detlef Pawollek vom Vorstand der GEW-Schulleitungsvereinigung, dass an seiner Neuköllner Röntgen-Schule nur zwei Kollegen streikten. Er selbst hält den Streik für wenig sinnvoll, da die Forderung nach kleineren Klassen nicht umsetzbar sei: Auf lange Sicht fehlten die Lehrkräfte. Zudem sei der geforderte Tarifvertrag Gesundheitsschutz mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) nicht machbar. (mit dpa)

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