zum Hauptinhalt
Hin und weg. Unsere Autorin (im Bild ihr Arm) auf ihrem Lieblingsfestival.

© privat

Mein Sommer 2009: Besser als Kühe umschubsen

In den Ferien am Strand liegen und aufs Meer schauen? Nicht so aufregend, wenn man an der Ostsee groß geworden ist. Zur Abwechslung fuhr unsere Autorin 2009 auf ein Metal-Festival - und seitdem immer wieder.

Ich bin an der Ostsee groß geworden, dort, wo andere im Sommer Urlaub machen. „Wenn alle herkommen, kann es hier ja nicht so schlecht sein“, so das Familienmotto. Meine Eltern waren nie groß im Verreisen.

Als mein Cousin vor einigen Jahren fragte, ob ich ihn zum Festival begleiten wolle, schrillten bei mir zunächst alle Alarmglocken. Festival? Das war in meiner Welt ein Horrorszenario aus Luftmatratzen, die man nachts mehrmals aufpumpen muss, Natur, die einen in Form von Mücken angreift, und Bergen von Müll. Man verstehe mich nicht falsch: Ich bin ein Dorfkind, wie es im Buche steht, habe bereits Kühe umgeschubst – macht man nicht, ich weiß – wilde Beeren gepflückt und ganze Sommer damit verbracht, am Strand aufs Meer zu starren. Aber campen? Damit kann man mich jagen.

Letztendlich siegte im Sommer 2009, ich war gerade mit der Schule fertig, eine Mischung aus Neugier, Fernweh und Liebe zur Musik. Urlaub auf einem Metal-Festival. Meine Naivität fand sich im Kofferinhalt wieder: Sonnencreme? Wozu? Feste Schuhe? Überbewertet!

Auf der Fahrt in Richtung Leipzig war mir etwas mulmig zumute. Doch die Zweifel, ob ich auf einem Festival überhaupt richtig wäre, blieben nicht lange: Das erste Bier vor einem kümmerlichen Haufen, welchen man stolz als sein „erstes selbst aufgebautes Zelt“ bezeichnet. Die ersten blauen Flecken vom Moshpit vor der Bühne. Der erste Platzregen und die darauffolgenden Sonnenstrahlen, mit denen die Klamotten wieder am Leib trocknen. „With Full Force“ – mit voller Kraft – heißt es seitdem jedes Jahr wieder. Statt Hartalkohol gehören inzwischen Kaffee und Bratpfanne samt morgendlichem Spiegelei zum Standardrepertoire – man wird eben nicht jünger.

Der Bauzaun, der das Festival-Gelände umrundet, ist wie eine mentale Barriere. Man lernt loszulassen. „Ein Rasiermesser für die gesellschaftlichen Zwänge“, scherzen wir immer. Einiges habe ich seitdem gelernt: Statt Flip-Flops packe ich Gummistiefel ein. Andere Dinge nicht: Sonnenbrand und latenter Tinnitus gehören weiterhin zu meinen Lieblingssouvenirs.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false