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Ein leeres Klassenzimmer einer Schule. So sieht es zurzeit in fast allen deutschen Klassenzimmern aus, die Schüler lernen bestenfalls von zu Hause.

© Peter Endig/picture alliance / dpa

Schnell die Berliner Schulen öffnen: „Jeder zerstörte Bildungsweg ist zerstörtes Glück“

Jeder verlorene Tag kostet Schüler Chancen auf ihrem Bildungsweg, mein FDP-Bildungspolitiker Paul Fresdorf. Doch es gäbe Alternativen. Ein Gastbeitrag.

Paul Fresdorf ist bildungspolitischer Sprecher und parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. In seinem Gastbeitrag für den Tagesspiegel fordert Fresdorf, die Schulen möglichst schnell wieder zu öffnen. Besonders die Klassen 1 bis 4 und die Abschlussjahrgänge müssten schnell wieder in die Klassen zurück.

Dafür fordert er wöchentlich mindestens zwei Schnelltests für Schüler und Lehrer, außerdem deutlich mehr Luftfilter in den Klassenräumen. Laut Fresdorf ist Eile geboten - viel Zeit wurde verschenkt.

Schulen auf oder geschlossen halten? Kinder in der Schule oder im schulisch angeleiteten Lernen zu Hause unterrichten? Das sind die Fragen, die uns in den letzten drei Wochen beschäftigt haben. Warum ist es so wichtig, dass Schulen geöffnet werden und Kinder in Präsenz unterrichtet?

Schulschließungen treffen immer die Schwächsten, die aus sozialen oder besser: sozioökonomischen Gründen benachteiligten Kinder. Diese bauen Lernrückstände auf, die nur unter größter Kraftanstrengung, wenn überhaupt, wieder aufgeholt werden können.

Bildung ist der Schlüssel zum sozialen Aufstieg, zu gesellschaftlicher Teilhabe, sie ist das Werkzeug, dass wir Menschen brauchen, um unseres Glückes Schmied zu sein. Bildung löst Probleme des Alltags und der Zukunft. Ohne gute Bildung hätten wir heute noch keinen Impfstoff gegen das neue Covid-19-Virus. Gute Bildung schützt Demokratie vor Demagogen und hilft sie auch in schweren Zeiten zu bewahren.

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Es ist also kein Feinschmeckerthema oder gar ein Thema nur für Eltern und Lehrer, sondern eine der Zukunftsfragen unseres Landes. Diese Zukunft gilt es auch für die Schulen unseres Landes zu gestalten und sie resilient für Krisen aufzustellen. Dass wir im Monat elf der Pandemie noch nicht weiter sind, ist ein Offenbarungseid des Berliner Senats. Eine Retrospektive hilft kaum weiter, wir alle wissen, was versäumt wurde, woran es mangelt. Es geht darum, Lösungen zu finden und umzusetzen.

Der Berliner FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf. Er ist auch parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion.
Der Berliner FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf. Er ist auch parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion.

© promo

Eine schnelle Digitalisierung der Schulen, damit diese moderne Lern- und Lehrorte werden, dazu gehört der Anschluss aller allgemeinbildenden Schulen an das Breitbandnetz, um schnelles Internet und damit auch ein Lehren aus der Schule heraus zu ermöglichen oder gar die Lehrkaft, die zu einer Risikogruppe gehört, digital in den Klassenraum zu holen.

Statt nur auf den „Lernraum Berlin“ und eine weitere Plattform zu setzen, brauchen wir eine Positivliste von verschiedenen digitalen Lernplattformen, die Schulen nutzen können und für deren Nutzung der Senat die Kosten übernimmt. Vielfalt sichert auch Krisenfestigkeit.

Besonders die Kleinen müssen schnell zurück in die Klassen

Verlässlichkeit für Eltern, Kinder und Lehrkräfte, mit einem klaren Plan zum Präsenzunterricht. Es darf nicht dabei bleiben, dass spontane Eingebungen, Konferenzen der Ministerpräsidenten oder Druck von Gewerkschaften zu immer neuen Handlungen im System Schule führen.

Ein klarer Plan mit Prioritätensetzung muss fest vereinbart und umgesetzt werden. Hier brauchen wir ein deutliches Schlaglicht auf die Kinder, für die Präsenzunterricht essenziell ist. Das sind die Kleinen der Klassenstufen 1 bis 4, die Abschlussjahrgänge und die, denen die Unterstützung zu Hause fehlt.

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Neue Wege gehen und Zukunft schaffen – muss die Devise sein. Alternative Lernorte erschließen, damit mehr Raum für Teilungsunterricht zur Verfügung steht. Das können Restaurants, Theater, Kinos oder Vereinsheime sein, diese würden die Nutzungsentgelte in der Krise gut gebrauchen können.

Die Schülerbeförderung könnte – in Kooperation mit Berliner Busunternehmern – neu aufgestellt und der Schulstart entzerrt werden, damit die Schüler nicht im überfüllten ÖPNV im Berufsverkehr dem Infektionsrisiko ausgesetzt werden.

Infektionen erkennen – Maßnahmen umsetzen, um die Beteiligten am System Schule besser zu schützen. Hygieneschleusen vor den Schulen, wo Hand- und Rachenraum desinfiziert werden und vor Schulbeginn berührungslos Fieber gemessen wird.

Jeder zerstörte Bildungsweg ist zerstörtes Glück

Wir brauchen mindestens zwei Schnelltests pro Person und Woche in den Schulen, um Infektionsketten zu erkennen und zu unterbrechen. Die Klassenräume müssen ertüchtigt werden. Neben einer Instandsetzung der Fenster brauchen wir „HEPA-Raumluftfilter“ in den Unterrichtsräumen – nicht nur in zwei bis drei Unterrichträumen pro Schule, sondern so umfänglich, dass ein Präsenzunterricht möglich ist. Mindestens zwei FFP2-Masken pro Tag pro Lehrkraft sind notwendig, um diese zu schützen. Zu den Hygienemaßnahmen gehört auch eine feste Kohortierung der Lerngruppen und Lehrkräfte, diese dürfen nicht durchmischt oder in der Betreuung am Nachmittag aufgelöst werden.

Diese Maßnahmen hätten längst ergriffen werden können und können es noch, ohne dass unser Land an die Grenze des Machbaren führen wird. Wir haben keine Zeit zu verlieren, denn jedes Kind, das wir auf dem Bildungsweg zurücklassen, ist ein persönliches Glück, das zerstört wird.

Paul Fresdorf

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