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Artistin Cristina Gonzales aus Barcelona im Bauch der "Phönixx". 

© Robert Klages

Schiff von Anarcho-Insel „Lummerland“ übernommen: Bei den Zirkus-Piraten in der Rummelsburger Bucht

Sie wollen Zirkus im öffentlichen Raum durchsetzen und gegen Gentrifizierung jonglieren. Dazu haben die "Circus Space Pirates" nun ein Hauptquartier auf dem Rummelsburger See.

Weltraumpiraten brauchen eigentlich ein Raumschiff. Die „Circus Space Pirates“ haben nun immerhin ein Boot: Es soll ihr Hauptquartier auf dem Rummelsburger See in Friedrichshain-Kreuzberg werden. Tomek Lubotzki steht auf dem Bug und jongliert, während er redet. Unter ihm schaukelt die Akrobatin Cristina Gonzalez in einem Ring. Die Crew macht Zirkus im öffentlichen Raum.

Das Boot, die Phönixx, war das Mutterschiff des legendären Ankerverbandes „Neu-Lummerland“, der sich im Juli aufgelöst hat. Jahrelang lebte hier eine Gruppe Aussteiger auf zusammengebundenen Booten in anarchistischer Eintracht.

Mit dieser war es in diesem Sommer vorbei. Ein ehemaliger Bewohner erzählt, das Gemeinschaftsgefühl sei nicht mehr stark genug gewesen, Dinge seien verschwunden, das Prinzip der Gemeinschaftlichkeit habe nicht mehr funktioniert.

Enrico Weber war der Kapitän der Phönixx. Sein Schiff zu verkaufen sei ihm schwergefallen, aber mit den Zirkusweltraumpiraten hätte es gute neue Besitzer bekommen.

Diese haben Weber und seine Phönixx während einer Demonstration von Extinction Rebellion auf der Spree am 20. Juni kennengelernt. Die Raumpiraten bringen sich oft auf Klimakundgebungen und -streiks ein.

Die Crew der "Circus Space Pirates" auf ihrem neuen Boot auf dem Rummelsburger See. 
Die Crew der "Circus Space Pirates" auf ihrem neuen Boot auf dem Rummelsburger See. 

© Robert Klages

Die 20 neuen Bewohner sind Teil des Wanderzirkusses „Cabuwazi“, der vor 26 Jahren in Kreuzberg gegründet wurde und mittlerweile einer der größten Kinder- und Jugendzirkusse Europas geworden ist. Das zirkuspädagogische Angebot findet in Schulen, Geflüchtetenheimen, auf der Straße und zu Kindergeburtstagen statt. 

Grenzenloser Zirkus

Die Circus Space Pirates wollen die Menschen ermutigen, „ihre wahre Natur in einer spielerischen Verbindung mit der Welt auszudrücken“, sagt Lubotzki, den Blick auf die sich vor seinem Gesicht drehenden Jonglierkeulen gerichtet.

Tiere sind nicht Teil des Zirkusses, Akrobatik steht im Vordergrund: Einradfahren, Feuertanz, Trapez und Trampolin. Aber auch Seifenblasen, Varieté und clowneske Einlagen. Bei Cabuwazi machen jedes Jahr zahlreiche Freiwillige aus allen Ländern mit, es wird meistens Englisch gesprochen.

Kunststücke auf der "Phönixx", dem neuen Hauptquartier. 
Kunststücke auf der "Phönixx", dem neuen Hauptquartier. 

© Robert Klages

Lubotzki war 2005 als Freiwilliger mit Cabuwazi in Israel und Palästina, jetzt ist er für die Internationale Netzwerkkoordination zuständig. Die Rummelsburger Bucht sieht er als Raum der Vielfalt und Freiheit, den neuen Begegnungsraum auf dem Wasser auch als Gegengewicht zur Gentrifizierung: „Am Ufer wird eifrig gebaut, aber das Wasser müssen wir zurückerobern, es sollte allen gehören.“

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Neben Lubotzki sitzt Lorena Terzi. Die 32-jährige Italienerin fing in Brasilien mit dem Zirkus an, zuvor studierte sie Kunstgeschichte. Gonzalez aus Barcelona Wissenschaftskommunikation. „Wir wollen den Zirkus zu den Leuten bringen, die dazu sonst keinen Zugang haben“, sagt sie und lässt eine Glaskugel über ihre Arme rollen. Aaron Atilla aus England ergänzt: „Zirkus kann auch therapeutisch sein.“

Kultur sollte nicht durch Institutionen und Eintritt definiert werden, findet Lubotzki. „Wir können Musik im Park machen, wir brauchen keine Konzerthallen.“ Die Phönixx soll als schwimmender Zirkus zu einem Lern- und Begegnungsort umgebaut werden, Lubotzki will Zirkus stärker in den öffentlichen Raum integrieren. Denn, so sagt er: „Zirkus kennt keine Grenzen.“

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