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Während des Flohmarkts herrscht noch reges Treiben. Später prägen vor allem Drogenabhängige und Obdachlose den Marheinekeplatz.

© Kai-Uwe Heinrich

Gemeinsame Sache in Kreuzberg: Saubermachen auf dem Marheinekeplatz

Der Marheinekeplatz ist auch Treffpunkt von Heroinabhängigen. Anwohner wollen, dass der Platz wieder sauberer wird.

Von all den Kiezen in Berlin, die diese Stadt so abwechslungsreich und einzigartig machen, ist der Bergmannkiez in Kreuzberg einer der bekanntesten. Dort, ziemlich genau in der Mitte der Bergmannstraße, liegt der Marheinekeplatz – geographisches und gesellschaftliches Zentrum des Kiezes.

Ob wegen des Flohmarktes am Wochenende, wegen der Markthalle, der Post oder wegen der vielen kleinen Restaurants und Cafés drum herum – zum Marheinekeplatz treibt es irgendwann jeden her.

Seit einigen Jahren gehören dazu auch vermehrt Drogenabhängige und Obdachlose, deren Anwesenheit von den Anwohnern des Platzes zwiespältig betrachtet wird. An diesem sonnigen Samstagmorgen, an dem die kleinen Ständchen des Flohmarktes bereits geöffnet sind und reges Treiben den Platz erfüllt, sind sie nur auf den zweiten Blick zu bemerken zwischen all den Touristen, Anwohnern und Kindern.

„Wegen des Flohmarktes sind sie gerade ruhig, aber gegen Abend wird es wahrscheinlich wieder richtig laut“, sagt Silvia Liebenau. Seit 17 Jahren lebt und arbeitet sie am Marheinekeplatz. Dieser habe sich mittlerweile zu einem Treffpunkt für die Junkieszene entwickelt. „Mit der Methadon-Ausgabestelle in der Heimstraße hat es angefangen und jetzt wird es Jahr für Jahr schlimmer.“

Benutzte Spritzen auf dem Spielplatz, lautes Gegröle und körperliche Auseinandersetzungen seien seitdem an der Tagesordnung. „Es wird sehr oft die Polizei gerufen“, sagt sie. Ihr Mann und sie schlafen schon seit Langem nicht mehr in dem Zimmer, das zum Platz hinausgeht.

„Von Jahr zu Jahr schlimmer“

Die Heimstraße mündet direkt in den Marheinekeplatz. Sie ist seit Juli 2013 Anlaufstelle für Heroinabhängige, die dort, in einer Arztpraxis, das Substitutionsmittel Methadon bekommen. Es hilft ihnen dabei, Entzugssymptome zu unterdrücken und ein weitestgehend normales Leben führen zu können.

Von den vielen Hundert Menschen, die dort täglich ein- und ausgingen, käme nur ein Bruchteil davon anschließend zum Marheinekeplatz, um mit Alkohol nachzuspülen oder andere Drogen zu konsumieren, meint Liebenau. Doch ihretwegen weise der Platz seit einigen Jahren Verwahrlosungserscheinungen auf. Neben benutzten Spritzen lägen auch viele leere Flaschen und Müll herum.

Politik zwar aufgeschlossen, aber machtlos

Gemeinsam mit ihrer Nachbarin, Susanne Schuricht, engagiert sie sich nun seit zwei Jahren dafür, auf dem Marheinekeplatz wieder ein, wie sie es nennt, „ausgewogenes Klima“ herzustellen. Das Engagement der beiden Frauen für diesen Platz erzählt auch davon, wie schwer es manchmal sein kann, wirklich etwas zu ändern, im Angesicht großer und kniffliger sozialer Fragen.

„Ich will unter keinen Umständen sagen, die sollen alle weg, denn natürlich weiß ich, dass sie irgendwo hinmüssen“, sagt sie. Doch etwas müsse geschehen. Um gegen die Verwahrlosung des Platzes vorzugehen, nahmen sie und Susanne Schuricht vor zwei Jahren den Besen in die Hand und riefen zur großen Aufräumaktion im Rahmen der Gemeinsamen Sache.

Mit selbstgeschriebenen Flyern wandten sie sich an die Anwohner und Inhaber der Geschäfte und Restaurants am Platz und luden sie ein, sich zu beteiligen. In diesem Jahr, am 13. September, soll erneut eine solche Aufräumaktion stattfinden.

Im vergangenen Jahr waren die beiden Frauen bei der Bezirksbürgermeisterin, Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen). „Sie war sehr aufgeschlossen für die Problematik“, sagt Liebenau.

„Letztlich hatte ich aber das Gefühl, als sei sie ein bisschen machtlos.“ Geschehen sei seitdem zumindest nichts. Liebenau und Schuricht hingegen konnten mit ihren Aufräumaktionen immerhin die BSR dazu bewegen, von nun an den ganzen Platz zu reinigen, was offenbar zuvor nicht der Fall gewesen war.

Liebenaus Beschreibungen über den Zustand des Marheinekeplatzes decken sich mit denen anderer Ansässiger. Brigitte Wüst betreibt einen kleinen Blumenladen am Eingang des Friedhofs Dreifaltigkeit II, der unmittelbar an den Marheinekeplatz grenzt. An ihrem Geschäft ziehen seit einiger Zeit nicht mehr nur die Trauernden vorbei. „Hier auf dem Friedhof wird gedealt“, sagt sie. Junkies kämen nach der Methadon-Ausgabe dorthin, um das Substitut gegen härtere Drogen einzutauschen.

„Einfach nur pietätslos“

„Die setzen sich noch hier auf dem Friedhof den ersten Schuss“, sagt sie. Und nicht nur das: „Neulich haben sich zwei direkt hinter meinem Laden nackt ausgezogen und versucht, Geschlechtsverkehr zu haben.“ Generell werde der Friedhof öfter für die Erledigung der Notdurft benutzt. „Das ist einfach nur pietätlos.“

Fragt man Silvia Liebenau nach einer Lösung für den Platz, der ihr so am Herzen liegt, wirkt sie ratlos. „Vielleicht wären auch hier Parkwächter gut, die Präsenz zeigen und aufpassen. Aber dann gehen die eben zum nächsten Platz in einen anderen Kiez, das kann ja nicht die Lösung sein.

Ich komme nicht dagegen an, wenn mir ein Arzt sagt, dass das Methadon-Programm wichtig ist, denn das ist es und die Menschen müssen nun mal irgendwohin.“ Letztlich steht sie mit ihrem Anliegen und ihrem Engagement vor Themen, die eine ganze Gesellschaft umtreiben.

„Es bräuchte mehr Geld für Suchtprävention und mehr Personal für Sozialarbeit“, sagt Liebenau. Bei der Politik stieß sie zwar auf offene Ohren, aber auch auf gebundene Hände. Zivilgesellschaftliches Engagement setzt oft dort an, wo die Politik nicht weiter kommt. Der Marheinekeplatz ist dafür ein gutes und trauriges Beispiel zugleich.

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