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Tatort Straße. Auf der Tauentzienstraße wurde am 1. Februar 2016 durch ein illegales Autorennen ein Unbeteiligter getötet.

© dpa

Rot-Rot-Grün geht gegen Raser vor: Berlin bekommt mehr Tempo- und Rotlicht-Blitzer

Bislang blieben Verkehrsrowdys in Berlin oft unbehelligt. Die neue Koalition will nun mehr Kontrollgeräte aufstellen. Am Wochenende gab es gleich mehrere drastische Verstöße.

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Die voraussichtliche neue Regierungskoalition will Raser und andere Verkehrsrowdys in Berlin künftig konsequenter verfolgen. Das wurde bei den Koalitionsverhandlungen vereinbart, wie der Tagesspiegel am Sonnabend erfuhr. „Uns Grünen war es in den Verhandlungen wichtig, dass wir die Verkehrssicherheit in Berlin erhöhen“, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Antje Kapek: „Wir haben beschlossen, dass es an unfallträchtigen Orten mehr Tempo- und Rotlicht-Blitzer und damit ein wirksames Instrument gegen Raser geben soll. Dafür haben wir uns seit Jahren eingesetzt.“

Mit 120 über den Kudamm

Das dürften viele Berliner begrüßen, die seit Jahren unter verrohenden Sitten oder gar kriminellem Verhalten im Straßenverkehr leiden. Auch in den vergangenen Tagen hätte es wieder Tote geben können: So raste in der Nacht zu Sonnabend ein 27-Jähriger mit Tempo 120 über den Kurfürstendamm und ignorierte dabei drei rote Ampeln. Aufgefallen war der 1er-BMW der Zivilstreife schon auf der Stadtautobahn, als das Cabrio mit hohem Tempo am Funkturm unterwegs war.

Fast 1,5 Kilometer raste der Wagen über den Kudamm und „beschleunigte mehrmals stark beim Anfahren“, wie das Präsidium berichtete. Am Lehniner Platz war die Fahrt zu Ende. Die Beamten kontrollierten den aus Serbien stammenden Mann und nahmen seine Personalien auf – dann durfte er weiterfahren. Was die Fahrt letztlich kosten wird, ist offen. Der Bußgeldkatalog sieht 680 Euro für das Tempo vor plus zwei Punkte, hinzu kommen die roten Ampeln. Schwerer wiegt: Die Führerscheinstelle wird auf Anregung der Polizei prüfen, ob der Mann seinen Führerschein dauerhaft verliert. Auffallend ist, dass ein überproportionaler Teil derartiger Delikte von Männern südosteuropäischer Herkunft begangen wird.

In der gleichen Nacht wurden durch die Rotlichtfahrt eines 45-Jährigen vier Menschen verletzt. Der Mann hatte an der Kreuzung A100 / Buschkrugallee ein Auto gerammt. In der Nacht zu Freitag waren zwei Rotlichtfahrer, die gestoppt werden sollten, geflüchtet. In Marzahn fuhr ein Unbekannter einen Polizisten an, dieser rollte über die Motorhaube auf die Fahrbahn ab und verletzte sich leicht. In Tempelhof flüchtete ein unter Drogen stehender türkischstämmiger Berliner und widersetzte sich seiner Festnahme zunächst mit Gewalt. Am Donnerstag war er nach einem Unfall mit Blechschaden geflohen, wie sich herausstellte. Der 27-Jährige wurde bereits mit Haftbefehl wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gesucht Da er die Geldstrafe in bar bezahlte, durfte er anschließend nach Hause gehen. Die Drogenfahrt, die rote Ampel, der Widerstand sind für einen neuen Haftbefehl nicht ausreichend. Das Auto musste er stehen lassen.

Es gibt noch weitere Methoden, die Zahl der Opfer zu senken

Vor sechs Wochen war ein stark betrunkener Audi-Fahrer mit hohem Tempo auf der Potsdamer Straße im Gegenverkehr frontal mit einem Laster kollidiert. Drei Männer wurden schwer verletzt, der Rumäne hatte 1,9 Promille intus. Wenige Stunden nach diesem Unfall beschloss der Bundesrat eine Gesetzesinitiative, die Teilnahme an illegalen Rennen künftig als Straftat zu werten. Seit September stehen zwei Männer wegen eines Autorennens auf der Tauentzienstraße vor Gericht, bei dem Anfang des Jahres ein Unbeteiligter gestorben war. Erstmals will die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes durchsetzen.

Schon im Februar 2015 hatte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) bei der Vorstellung der Unfallbilanz gesagt, dass „Raser das größte Risiko sind“ und mehr Kontrollen angekündigt. Tatsächlich wurde 2015 mit Handlasern und Radarwagen fast zehn Prozent weniger kontrolliert. Die Zahl der festen Rotlicht- und Tempo-Blitzer ist in den vergangenen drei Jahren nur minimal von 19 auf 20 gestiegen. Dabei bringen die Säulen viel Geld in die Kassen: 2015 waren es fast fünf Millionen Euro. Die Ausgaben sind überschaubar: Eine moderne Säule kostet 100 000 Euro, der Betrieb aller Anlagen kostete 134 000 Euro.

Natürlich seien angesichts der vielen Verkehrstoten mehr Kontrollen sinnvoll, sagt der Berliner Fachanwalt für Verkehrsrecht Henry J. Bauer. Er vertritt sowohl Opfer als auch Täter vor Gericht und findet, dass es neben mehr Blitzern auch noch weitere Möglichkeiten gibt, die erschreckend hohe Zahl der Verkehrsopfer zu senken. „Dazu gehört unter anderem das Ausschöpfen des Strafrahmens durch die Gerichte und natürlich auch die Entziehung des Führerscheins“, sagt er. „Wichtig für die Opfer wäre aber auch die Erhöhung des Schmerzensgeldes. Wer durch einen Raser verletzt wurde, mehrere Operationen und Krankenhausaufenthalte hinter sich hat und oft auch psychisch beeinträchtigt ist, erhält oft nur einen lächerlichen Betrag.“

Allerdings müsse man unterscheiden zwischen Menschen, die sich an sich korrekt verhalten und wegen einer Unaufmerksamkeit, die jeden passieren könne, einen Unfall verursachen, und jenen, die rücksichtslos durch die Stadt rasen. Letzteren will die neue Koalition mit verstärkten Kontrollen von Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen an den Kragen. „Das soll sowohl an festen als auch an mobilen Standorten geschehen“, sagte der verkehrspolitischer Sprecher der Linken, Harald Wolf. Vorrang hätten Unfallschwerpunkte und besonders sensible Bereiche wie Schulen und Kindergärten.

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