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Schwierige Verhandlungen. Die Delegationen von SPD mit Walter Momper und der Alternativen Liste mit Renate Künast und Hans-Christian Ströbele rangen heftig miteinander, bis sie eine Basis für eine Koalition fanden.

© picture alliance / dpa

Rot-grüner Senat: Bis jetzt einmalig

Tempo 100 auf der Avus, Busspuren auf dem Ku’damm. Das waren die Themen, die West-Berlin vor 25 Jahren bewegten. Die Politik des Momper-Senats hat die Stadt geprägt – und ist in einem Punkt noch immer unerreicht.

Es war der ultimative Angriff auf die Freiheit West-Berlins. Kaum war der erste rot-grüne Senat im Amt, schon machte er sich daran, den Autofahrern Grenzen zu setzen, und führte Tempo 100 auf der Avus ein. Unvorstellbar für die Freunde der rasanten Fahrerei. „Tempo 100 – ick gloob, ick spinne“ wurde zum bekanntesten Motto der Tempolimitgegner. Es gab große Diskussionen, einen Anzeigenboykott gegen den Tagesspiegel, der vor allem die damalige Rolle des ADAC in der Diskussion kritisierte – aber Tempo 100 kam. Und blieb. Bis heute.

Ähnliches Erregungspotenzial gab es, als Rot-Grün begann, Busspuren und Tempo-30-Zonen einzurichten. Vor allem die Spur auf dem Kurfürstendamm war höchst umstritten. „Die CDU ging 1990 sogar mit dem Thema ,Die Busspur auf dem Ku’damm muss weg‘ in den Wahlkampf“, erinnert sich Michael Cramer, der 1989 für die Alternative Liste (AL) – so hieß seinerzeit der Berliner Landesverband der Grünen – ins Abgeordnetenhaus kam. Er freut sich, dass es heutzutage um diese und andere Busspuren keinen Streit mehr gibt. Besonders die rot-grüne Verkehrspolitik hat sichtbare Spuren in der Stadt hinterlassen. Auch das Umweltticket gehört dazu, wobei eigentlich nur der Name erhalten geblieben ist. Der seinerzeit extrem günstige Preis ist inzwischen stark gestiegen.

Schon als der Senat am 16. März 1989 gewählt wurde, zeigte die Zusammensetzung einen Wechsel in der Politik: Der SPD-Politiker und Regierende Bürgermeister Walter Momper stand an der Spitze einer Landesregierung mit acht Senatorinnen und fünf Senatoren. Das hatte es zuvor in der Bundesrepublik nicht gegeben und ist bis heute einmalig. Die damalige Gesundheits- und Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) spricht deswegen gerne auch von einem Frauensenat. Jutta Limbach (ebenfalls SPD), die das Justizressort leitete, sagt, dies habe dazu geführt, bei der Vergabe politischer Posten inzwischen selbstverständlich immer auch nach geeigneten Frauen zu schauen. Sie selbst hat damals dafür gesorgt, dass in der Justiz hohe Stellen, etwa an der Spitze der Gerichte, mit Frauen besetzt werden. Auch dies hat sich in Berlin zur Tradition entwickelt.

Einmal im Jahr treffen sich die früheren Senatorinnen immer noch. Mit dabei ist auch die frühere Schulsenatorin Sybille Volkholz (AL), die in ihrem Bereich vor allem die Einrichtung von Integrationsklassen für behinderte Schüler als Schritt zur heutigen Inklusion zu den bleibenden Errungenschaften zählt.

Um den Forschungsreaktor wurde heftig gerungen

Natürlich gab es zwischen von Frauen geführten Ressorts auch politische Auseinandersetzungen. Beispielsweise rangen Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) und Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL) in erbitterten Diskussionen darum, ob der Forschungsreaktor des Hahn-Meitner-Instituts (heute Helmholtz-Zentrum) in Betrieb gehen kann. Die SPD setzte sich schließlich durch, nachdem die AL die Koalition aufgekündigt hatte. Der Reaktor durfte wieder eingesetzt werden – und ist noch immer in Betrieb. Erst 2020 soll er abgeschaltet werden.

Das erste halbe Jahr der rot-grünen Koalition spielte sich in West-Berlin ab, dann fiel am 9. November die Mauer. Am Tag darauf konnte sich die Koalition nicht auf eine gemeinsame Resolution einigen – die AL beharrte auf dem Status der Zweistaatlichkeit. Auch Momper dachte zunächst nicht an Wiedervereinigung, schwenkte aber relativ rasch um, als klar wurde, dass diese unausweichlich kommen würde. Nach den Kommunalwahlen im Mai 1990 regierte der rot-grüne Senat West-Berlins gemeinsam mit dem rot-schwarzen Magistrat in Ost-Berlin als sogenannter „Magisenat“ die Geschicke der Stadt.

Umstritten war der Verkauf des Potsdamer Platzes an Daimler Benz

Zu den wichtigen Stadtentwicklungsfragen, die in dieser Zeit entschieden wurden, gehörte der Verkauf des Areals am Potsdamer Platz an Daimler Benz. Immerhin setzte sich Umweltsenatorin Schreyer damit durch, die alte Potsdamer Straße mit ihren Bäumen unter Schutz zu stellen.

Zwei Wochen, bevor es im vereinigten Berlin am 2. Dezember Wahlen zum Abgeordnetenhaus geben sollte, platzte dann Rot-Grün. Die drei von der AL gestellten Senatorinnen mussten auf Druck ihrer Partei zurücktreten. Bei den Wahlen bekamen sowohl die Sozialdemokraten als auch die Alternative Liste ihre Quittung. Rot-Grün war Geschichte. Es dauerte mehr als zehn Jahre bis zum nächsten Anlauf. Aber auch der war nur von kurzer Dauer.

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