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Wer darf wie über Abtreibungen informieren? Proteste gab es viele (hier Archivfoto), bis der Paragraf 219a Ende 2018 reformiert wurde.

© picture alliance / Monika Skolim

Geldstrafen wegen „Werbung“ für Abtreibungen: Richtig urteilen ist unmöglich

Die gegenwärtige Rechtslage zu Abtreibungen einschließlich Paragraf 219a ist das Ergebnis einer schwierigen Gemengelage. Der Richterin ist nichts vorzuwerfen. Ein Einspruch.

Eine Richterin am Berliner Amtsgericht hat zwei Frauenärztinnen zu geringen Geldstrafen verurteilt, weil sie auf der gemeinsamen Webseite darüber informieren,  dass eine der beiden Schwangerschaftssabbrüche „medikamentös“ und „narkosefrei“ durchführt. Strafrechtlich ist das, wie man sich heute wieder ausdrückt, pillepalle. Andererseits ist ein Gesetz ein Gesetz, auch der umstrittene Paragraf 219a Strafgesetzbuch, der Abtreibungswerbung verbietet. Wer das Gesetz bricht, weil er es für falsch hält, kann schlecht von anderen Rechtstreue erwarten.

Der 219a wurde kürzlich reformiert. Früher durften Ärzte nicht mal öffentlich mitteilen, dass sie überhaupt abtreiben. Das ging zu weit. Betroffene, die Hilfe suchen, müssen sie finden können. Die Länder sind gesetzlich verpflichtet, dafür ein ausreichendes medizinisches Angebot bereitzuhalten. Es ist ein Skandal, dass manche nicht einmal genau wissen, welche Kliniken und Ärzte den Eingriff bei ihnen anbieten.

Trotzdem: Wer es schafft, das Anti-CDU-Video von Rezo bei YouTube anzuklicken, findet etwa in Berlin auch genau so zuverlässig und genau so schnell einen Arzt, der Schwangerschaften beendet. Für alles Weitere gibt es Telefon, E-Mail und Sprechstunde. Je nach Region mag es im Bundesgebiet Defizite geben. Dass Frauen Kinder gebären mussten, weil niemand da war, der den Eingriff nach medizinischem Standard vornehmen konnte, ist allerdings auch noch nicht bekannt geworden.

Schwangerschaftsabbrüche sind ein Problem ohne Lösung. Der Staat hat eine Schutzpflicht, auch für ungeborenes Leben. Abtreibung allein zum Ausdruck sexueller Selbstbestimmung oder Akt femininer Ermächtigung umzudeuten, wie es die Demonstrantinnen tun, die nach dem Urteil vor Gericht ihre Spruchbänder ausrollten, lässt diese Sichtweise außer Acht.

Der Gesetzgeber hat keine Chance

Das kann man so machen; jeder wählt die Argumente, die zu seinen Zielen passen. Andererseits hat soeben das Bundesverwaltungsgericht ein möglicherweise bahnbrechendes Urteil gefällt und erstmals wirtschaftliche Interessen, in diesem Fall von Hühnerhaltern, gegenüber Tierschutzbelangen und dem „Eigenwert“ eines Kükenlebens zurücktreten lassen. Langfristig wird diese Sichtweise die Praktiken der Agrarindustrie in Frage stellen. 

Natürlich sind Küken keine Embryonen. Doch einen „Eigenwert“ hat ihr Leben auch, wie alles Leben. Und, oft vergessen in dieser Diskussion, rein theoretisch zumindest auch einen werdenden Vater, der es mitgezeugt hat. Das ungeborene Leben kann damit schlecht allein, ausschließlich und unbedingt zur Verfügung einer werdenden Mutter gestellt werden.

Andererseits muss sich eine werdende Mutter ausschließlich allein entscheiden können, eine Schwangerschaft zu beenden, und dies ohne Risiken für die eigene Gesundheit. Schließlich ist es ihr Körper. Die gegenwärtige Rechtslage einschließlich Paragraf 219a ist das Ergebnis dieser schwierigen Gemengelage. Der Gesetzgeber hat keine Chance. Er kann hier nur versagen. Insofern ist ihm das so wenig vorzuwerfen wie der Richterin, die die Frauen verurteilt hat.

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