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Generalstaatsanwalt Ralf Rother in seinem Büro im Kammergericht, Berlin. Nun geht er in Pension.

© Mike Wolff

Berliner Generalstaatsanwalt: Ralf Rother geht in den Ruhestand - jetzt wirklich

Drei Mal hat Berlins Generalstaatsanwalt Ralf Rother verlängert. Nun aber ist endlich Schluss. Seinen Kritikern war er zu still und zu stur.

Von Fatina Keilani

Der Mann arbeitet wirklich bis zum letzten Tag. „Am Mittwoch um 18 Uhr gebe ich die Schlüssel ab“, sagt Generalstaatsanwalt Ralf Rother ohne jeden Unterton – keine Wehmut, keine Angst vor dem Vakuum. Hat er keinen Resturlaub? „Doch, den lasse ich verfallen.“ Einige Bilder hat er schon abgehängt, er räumt das Büro, zugleich sind die letzten Tage noch durchgetaktet mit Terminen, als ob nichts wäre.

An sich wäre Rother schon vor anderthalb Jahren dran gewesen mit der Pensionierung, doch weil es um seine Nachfolge ein unglückliches Gezerre gab und es eine Zeit lang so aussah, als ob sein Posten dann länger unbesetzt wäre, hat er auf Bitten des Justizsenators verlängert – drei Mal, immer um sechs Monate. Das würde er jetzt nicht wieder tun.

Nachdem am Montag Polizeipräsident Klaus Kandt vom Innensenator entlassen wurde und Kandts Stellvertreterin Margarete Koppers die Nachfolge von Rother antreten wird, die Polizei mithin erst mal führungslos ist, hätte es ja sein können, dass man Koppers vorerst in der Polizei belassen will. Doch Rother geht definitiv. Am Montag hat er seine Ruhestandsurkunde erhalten. Sein Haus sei bestellt, die damals vakanten Posten besetzt, die Behörde werde auch ohne ihn laufen, sagt er. Er habe sich damals einfach der Behörde verpflichtet gefühlt, es gab keinen Leiter der Staatsanwaltschaft, auch andere wichtige Posten seien vakant gewesen.

"Blutleerer Technokrat"

Dass Kandt geschasst wurde, kann Rother erkennbar nicht nachvollziehen, auch wenn er sich nicht dazu äußert. „Kandt und ich haben die ZEE zusammen gegründet, die Zentrale Einlieferung und Erfassung“, sagt er. Hier arbeiteten Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam, um Flüchtlinge zu erfassen, ohne sie pauschal zu kriminalisieren. Das sei sehr gut gelungen und von Vertretern der Bundesebene als vorbildlich dargestellt worden.

Rother ist so sachlich, dass man es als Leidenschaftslosigkeit empfinden könnte, doch das täuscht. Er durchdenkt nur alles sehr gründlich. „Diese Arbeit lebt man, man nimmt das mit in den Abend und ins Wochenende, man ist auf diesem Posten so vielem verpflichtet – der Stadt, ihrer Sicherheit, der Bevölkerung, den Mitarbeitern, den Opfern und auch den Beschuldigten“, sagt er.

Manche aus seiner Behörde nennen ihn einen „blutleeren Technokraten“, dem sie allenfalls jahrelange Stagnation verdanken, immer noch schlecht funktionierende Computertechnik, ungelöste Platzprobleme. Andere loben sein Pflichtbewusstsein, seine Verlässlichkeit, seine preußische Disziplin. Und Preuße ist er, in Berlin geboren, aufgewachsen in Neukölln, nicht in begüterten Verhältnissen. Der Erfolg ist erarbeitet, ohne Seilschaften, ohne Parteibuch.

Kein Poser

Der große, schlanke Mann erscheint wie die personifizierte Mäßigung. Sein Büro ist zwar groß, rund 70 Quadratmeter, aber höchst unauffällig möbliert. Keine edlen Möbel, nicht mal eine Schreibtischlampe, nur Neon an der Decke. Er selbst im schmalen grauen Anzug, absichtslos modisch, weißes Hemd, Manschettenknöpfe.

Der Vorwurf mit den Computern wurmt ihn, unter ihm habe sich viel bei der IT getan, etwa Spracherkennung, eine Server-Architektur.

Ein Poser ist er wahrlich nicht. Die Medien hat er nie für seine Zwecke eingespannt, etwa um politischen Druck aufzubauen, zum Beispiel mit dem Ziel einer besseren Ausstattung seiner Leute. Es schmerzt ihn zu sehen, wie die Staatsanwaltschaft auftritt, unter welchen Bedingungen Staatsanwälte in bienenwabenkleinen Büros mit Doppelbelegung einen Beschuldigten vernehmen müssen; er vermisst Wertschätzung für die Arbeit einer Behörde, deren Tätigkeit letztlich dem sozialen Frieden dient. Überhaupt fällt auf: Hinter der Prinzipientreue stehen Werte, für die er arbeitet. Sie scheinen seine innere Landkarte zu bilden.

Die Platzprobleme wird seine Nachfolgerin zu lösen haben. „Wir wär’s denn mal mit einem Neubau für die Justiz, zum Beispiel auf dem berlineigenen Landesgrundstück neben der Vollstreckungshauptabteilung in der Turmstraße?“, fragt Rother. „Da ist ein freies Gelände, wo die Zelte vom Lageso standen und das eigentlich für einen Justiz-Modularbau genutzt werden könnte.“

Zahl der Frauen unter Rother gestiegen

Und warum haben Sie das nicht vorgeschlagen, Herr Rother? „Habe ich, diverse Male!“, sagt er. „Die Antwort war immer: Interessant. Denken wir mal drüber nach. Mehr passierte nicht. Wir haben auch angeregt, das Dachgeschoss im Kriminalgericht auszubauen, da oben ist Platz ohne Ende, da passen sicherlich 120 Dienstzimmer rein.“ Es müsse mehr Energie in diesen Bereich investiert werden.

Wie auch in das Personalproblem. In den nächsten zehn Jahren gehen rund 150 Staatsanwälte in Pension. Dass Koppers für viele Frauen sorgen wird, mag sein, neu wäre das nicht: Unter Rother ist die Zahl der Frauen in der Staatsanwaltschaft und in Leitungspositionen gestiegen. Es werden mehr Frauen als Männer eingestellt. Und wenn sie dann schwanger werden und weg sind? Auch dazu hat Rother eine klare Meinung: Das sei gut. Als öffentlicher Arbeitgeber habe man eine gesellschaftliche Aufgabe. Sie haben zwölf Jahre Rückkehrgarantie in den Job und alle Möglichkeiten für Teilzeitarbeit. „Auch die Männer!“, sagt der 66-Jährige.

Lässt er Höhen und Tiefen seiner fast 20 Jahre an der Spitze der Generalstaatsanwaltschaft Revue passieren – bevor er General wurde, war er Vize –, fällt ihm nur ein echter Tiefpunkt ein: der Attentäter Anis Amri. Auch wenn sich vor allem die Polizei verschätzt hat, hadert Rother mit der Frage, ob er diese stärker hätte überwachen sollen.

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