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Paddeln auf dem Landwehrkanal - eine Alternative zum üblichen Sightseeing.

© dpa/Paul Zinken

Radrouten, Berliner Dörfer und weniger Müll: Mehr Geld für Tourismusförderung in den Bezirken

Senat und Bezirke erneuern ihre Zusammenarbeit im Tourismus. Trotz gesunkener Gästezahlen soll es dafür sogar mehr Geld geben.

Nach der Coronakrise erholt sich der Berlin-Tourismus langsam. Im Januar lag das Defizit bei den Übernachtungen im Vergleich zum vergangenen Vor-Corona-Jahr 2019 bei rund 60 Prozent, bis zum April hatten sich die Zahlen auf minus 22 Prozent deutlich verbessert.

Doch wie der Sommer wird, kann wegen Inflation, Ukraine-Krieg und wieder steigenden Coronazahlen niemand vorhersagen. Besonders die internationalen Gäste fehlen der Stadt, sagt Christian Tänzler, Pressesprecher von Visit-Berlin.

Zwischen Januar und April kamen 56 Prozent weniger Gäste aus Italien, wieder im Vergleich zu 2019, auch die Briten, bislang Spitzenreiter bei den Berlin-Gästen aus Europa, lagen mit 37,6 Prozent im Minus. Eigentlich könnte Berlin sein Programm zur besseren Verteilung der Tourismusströme innerhalb der Stadt jetzt aussetzen, doch genau das geschieht nicht. 

Im Gegenteil: Die Bezirke bekommen in diesem Jahr wahrscheinlich „deutlich mehr“ Geld für eigene Projekte zur Tourismusförderung als im Haushaltsentwurf vorgeschlagen, wie Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) am Montagabend andeutete. Bisher waren 100.000 Euro pro Bezirk eingeplant. Das Geld kommt aus den Einnahmen der City-Tax, vulgo Bettensteuer. In normalen Jahren kamen mehr als 50 Millionen Euro zusammen, im Corona-Jahr 2021 waren es nur 17,3 Millionen. Daraus werden vor allem gesamtstädtische Projekte finanziert.

Schwarz sieht die Zusammenarbeit mit den Bezirken beim Tourismus als Erfolg an, den man nicht aufs Spiel setzen möchte. Am Montag wurde die Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und Bezirken erneuert, die seit 2018 sicherstellt, dass die Bezirke in die Tourismuswerbung und den Ausbau der touristischen Infrastruktur einbezogen werden.

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Gleichzeitig verpflichten sich die Bezirke, das gesamtstädtische Berlin-Marketing nicht mit eigenen Aktionen zu beschädigen. 180 Projekte in den Bezirken seien seit 2018 umgesetzt worden, sagte Schwarz, darunter neue Info-Stationen, Werbung für Radrouten in den Außenbezirken oder das Programm „Fair.Kiez“ zur Schlichtung von Konflikten zwischen Anwohnern und Gastronomen in Friedrichshain-Kreuzberg.

Die Bezirksbürgermeister,Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (7. von rechts) und Visit-Berlin-Chef Burkhard Kieker (4. von rechts) präsentieren das gemeinsame Logo "Wir sind ein Berlin".
Die Bezirksbürgermeister,Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (7. von rechts) und Visit-Berlin-Chef Burkhard Kieker (4. von rechts) präsentieren das gemeinsame Logo "Wir sind ein Berlin".

© Visit Berlin

„Berlin besteht aus zwölf Großstädten. Das ist mir erst in den vergangenen Jahren so richtig bewusst geworden“, sagte Burkhard Kieker, Geschäftsführer der Tourismus-Marketingagentur Visit Berlin. Wichtig sei ihm gewesen, „dass das Marketing der Stadt nicht zerfasert“, also einzelne Bezirke eigenständig auf großen Tourismusmessen auftreten. 

Dass die 180 Projekte erfolgreich gewesen seien, vor allem die zentrale App „Going Local“ mit Tipps abseits der Hotspots, macht Kieker an gestiegenen Übernachtungszahlen in den Bezirken fest, aber auch an Datenauswertungen von Social-Media-Plattformen. So könne man etwa genau erkennen, zu welchem Zeitpunkt von welchen Gruppen – Franzosen, Engländer oder Neuseeländer – Fotos von Sehenswürdigkeiten auf Facebook oder Instagram hochgeladen werden.

Auch die eigene Going-Local-App liefere Nutzerdaten; danach könnten bestimmte Inhalte weiter ausgebaut oder andere Angebote wieder gelöscht werden. Die App werde laufend aktualisiert und auch mit neuen Angeboten versehen. „Das Ding funktioniert. Da gehen die Leute auch hin.“

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Visit Berlin hatte am Montagabend alle Bezirksbürgermeister zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung in die „Platte“ eingeladen, einem stylischen Produktions- und Kaufhaus für Modedesign nahe dem Alexanderplatz, mit blauem Lametta an der Decke und Stellwänden aus Metallgittern, wie sie in modernen Industriebetrieben üblich sind. Die perfekte Kulisse für den kontrastreichen „Berlin-Style“, den der Hauptstadt-Tourist erwartet.

Für jeden Bürgermeister hatte die Künstlerin Klio Karadim ein bezirkstypisches Bild gemalt, das als zusammengesetztes Puzzle die Zeile „Wir sind ein Berlin“ ergibt. Sechs Bürgermeister waren der Einladung gefolgt, um die Schwerpunkte ihrer Tourismusstrategie zu erläutern.

"Es gibt auch intelligentes Leben außerhalb des S-Bahn-Rings"

Clara Herrmann (Grüne) aus Friedrichshain-Kreuzberg möchte weiter den „stadtverträglichen und ökologischen Tourismus“ fördern, also Mehrwegbecher auf den Märkten, Lärmschutz für die Nachbarschaft, Radtouren durch den Bezirk und die generelle Ansage: „Es dürfen auch mal ein paar Gäste weniger sein.“

Gordon Lemm (SPD) aus Marzahn-Hellersdorf will den „längsten Grünzug der Stadt“ an der Wuhle noch stärker bewerben.

Martin Hikel (SPD) aus Neukölln lädt in den Britzer Garten ein und möchte die „Dörfer im Süden Neuköllns sichtbarer machen“.

Sören Benn (Linke) aus Pankow liegt die „Art Spring“ am Herzen, ein Kunstfestival, das sich besonders an Touristen wendet.

Auch Pankow plant eine „Dörfertour“ am Rande der Stadt. Oliver Igel (SPD) betont für Treptow-Köpenick eher das „Nicht-Überraschende“, die „Naturverbundenheit“, die großen Wälder und Seen. „Viele wundern sich, dass das noch zu Berlin gehört.“

Zu wenig Flugverbindungen für internationale Gäste

Burkhard Kieker erklärte auf Nachfrage, er sei hoffnungsvoll, was den Berliner Tourismus-Sommer anbelangt. "Seit einigen Wochen zieht der Berlin-Tourismus spürbar an. Die Leute wollen wieder in unsere Stadt reisen. Für den Sommer erwarte ich deshalb starke Nachholeffekte. Voraussetzung ist, dass der Ukraine-Krieg nicht weiter eskaliert und das Pandemiegeschehen nicht wieder zu stark an Fahrt aufnimmt.“

Dass weniger internationale Gäste anreisen, liege auch an fehlenden Flugverbindungen. Das zeige die Wiederaufnahme der Strecke Berlin-New York. Sie werde sehr gut angenommen. "Insgesamt ist die Zahl der Flugverbindungen nach Berlin noch deutlich vom Normalniveau entfernt.“

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