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Vor acht Jahren marschierten 13 Männer in ein Wettcafé in Berlin-Reinickendorf und erschießen Tahir Ö., der dort Karten spielte.

© Polizei Berlin

Rabatt des Berliner Landgerichts aufgehoben: BGH verschärft Strafen für Hells Angels nach Wettbüro-Mord

Das LKA schritt nicht ein: Trotz Polizei-Panne erhalten die verurteilten Rocker nach dem Mord in einem Berliner Wettcafé keinen Strafrabatt.

Acht Jahre nach den tödlichen Schüssen in einem Berliner Wettbüro verschärft der Bundesgerichtshof (BGH) die Urteile gegen die beteiligten Hells Angels. Das Berliner Landgericht hatte 2019 entschieden, den Rockern einen "Vollstreckungsabschlag" von zwei Jahren zu gewähren. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig hält dies für falsch; am Montag erging ein entsprechender Beschluss.

Das Landgericht hatte nach fünf Jahren Verhandlung acht Rocker wegen Mordes an einem Kontrahenten und den örtlichen Hells-Angels-Präsidenten wegen Anstiftung zum Mord verurteilt. Dafür erhielten die seit Jahren polizeibekannten Männer lebenslange Haftstrafen. Vollstreckungsabschlag bedeutet vereinfacht: Teile der Strafe gelten schon mit dem Urteil als verbüßt, weil dies bestimmten Umständen zufolge geboten sei.

Im konkreten Fall um den Mord in dem Reinickendorfer Wettbüro wurden zwei Jahre Haft als verbüßt angerechnet. Das Gericht hatte den Strafrabatt damit begründet, dass Ermittler des Landeskriminalamts (LKA) die Fehde im Milieu beobachtet hatten und von einem V-Mann sogar vor einem Attentat gewarnt worden waren. Dennoch sollen die LKA-Beamten den später Getöteten nicht ausreichend geschützt haben, es den Tätern - grob formuliert - also einfach gemacht haben.

Die Staatsanwaltschaft hatte damals Rechtsmittel eingelegt: Man habe zwar Versäumnisse beim LKA gesehen, gestanden die Ankläger ein, die rechtfertigten jedoch keinen Vollstreckungsabschlag. Gegen drei LKA-Beamte wurde seinerzeit ermittelt, die Verfahren aber bald eingestellt.

Täter haben keinen Anspruch auf rechtzeitigen Eingriff

Der BGH-Senat schloss sich der Staatsanwaltschaft nun weitgehend an: Demnach gibt es für Täter keinen Anspruch auf rechtzeitigen Eingriff durch Polizisten, der sie vor einem Vergehen und der vollen Bestrafung bewahren würde.

Wie berichtet waren 13 Männer eines Nordberliner Hells-Angel-Charters im Januar 2014 in das Berliner Wettbüro mit Café und Kartenspiel-Ecke in der Residenzstraße eingedrungen. Einer von ihnen erschoss dort Tahir Ö., einen 26-jährigen aus dem Kiez. Das Opfer hatte sich über Monate eine gewaltsame Fehde mit den Rockern geliefert. Der Auftrag zu dem Mord in dem Café kam, urteilte das Landgericht, vom bekannten Rockerboss Kadir P.; auch er erhielt eine lebenslange Freiheitstrafe.

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In Vernehmungen im LKA und während des Prozesses hatte ein Beteiligter umfangreich ausgesagt: Hells-Angels-Hardliner Kassra Z. wurde zum Kronzeugen der Anklage und erhielt wegen Mordes nur zwölf Jahre Haftstrafe. Während des Verfahrens wurde Z. von Personenschützern bewacht und außerhalb Berlins untergebracht.

Zu ihm entschieden die BGH-Richter nun: Das Landgericht Berlin muss sich mit seinem Urteil erneut befassen und dabei besser prüfen, ob sich seine Aussagen zurecht mildernd auf die Strafe auswirken. Die Anwälte der anderen Verurteilten hatten ebenfalls Revisionen eingelegt, die der BGH aber verwarf. Einige der Männer der tödlichen Machtdemonstration sind noch auf der Flucht, sie werden in der Türkei vermutet.

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