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© Foto: dpa/Christian Ender

Rudolf Heß auf Stickern glorifiziert: Zeuginnen belasten Neonazis im Prozess um Neuköllner Anschlagsserie

Dritter Verhandlungstag zur rechten Anschlagsserie: Zeuginnen beschreiben, wie sie die Angeklagten beim Verbreiten rechtsextremer Parolen beobachtet haben.

Sie sollen Sticker und Plakate mit Sprüchen wie „Mord an Rudolf Hess“ (sic) an Bushaltestellen, Schaufenster und Laternenpfähle geklebt, Wände besprüht und damit den NS-Kriegsverbrecher Heß glorifiziert haben. So lautet der Vorwurf gegen die drei Neonazis Sebastian T., Tilo P. und Samuel B., zu dem am dritten Verhandlungstag im Prozess zur rechtsextremen Neuköllner Anschlagsserie Zeug:innen vernommen wurden.

T. und P. wird zudem vorgeworfen, an mindestens zwei Brandanschlägen, unter anderem auf das Auto des Linke-Politikers Ferat Kocak, beteiligt gewesen zu sein. Gegen T. steht auch der Verdacht im Raum, beim Bezug von Sozialleistungen und der Corona-Soforthilfe betrogen zu haben.

Am Montag sagten Observationsbeamtinnen aus, die die drei Verdächtigen – in unterschiedlicher Konstellation – in zwei Nächten im Juli und August 2017 beim Kleben und Sprühen beobachtet hatten. Zumindest T. und P. konnten die Beamtinnen auch Jahre später klar benennen, B. hingegen wurde erst nachträglich als Mieter des verwendeten Fahrzeugs identifiziert.

So beschrieb eine der Zeuginnen, wie T. in der Nacht vom 18. zum 19. August 2017 – kurz nach dem 30. Jahrestag des Suizids von Heß im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis – eben jenes „Mord an Rudolf Hess“ unter anderem an die Wand einer Rudower Kita gesprayt hatte. Dabei sei er von P. begleitet worden, dieser habe währenddessen dem Anschein nach „die Umgebung sondiert“. Eine andere Beamtin observierte T. und Samuel B. dabei, wie sie wenige Tage vorher an unzählige Bushaltestellen und Schaufenster unter anderem in Spandau Sticker und Plakate mit Heß-Parolen klebten.

Während T.’s Anwalt Carsten Schrank versuchte, die Sticker und Schmierereien zu entpolitisieren – „die Wände waren ja eh beschmiert, man darf nicht immer nur auf den Inhalt schauen“ – tat P.’s Anwalt Mirko Röder die Vorwürfe als unerheblich ab und ging sowohl seine Anwaltskollegen als auch die Richterin scharf an. Insbesondere forderte er, bereits weitere als die zehn bislang geplanten Prozesstage zu benennen, was die Richterin zunächst zurückwies.

Mehr als 70 rechtsextreme Straftaten zählen die Ermittlungsbehörden seit 2013 in Neukölln, darunter 23 Brandanschläge vorwiegend auf Autos. Um einige der Taten geht es im Prozess. Ziel der Aktionen war aus Sicht der Staatsanwaltschaft: Menschen, die sich gegen rechts engagieren, sollten eingeschüchtert werden. Die Ermittlungen hatten sich jahrelang hingezogen, mit Pannen und Versäumnissen. Der nächste Verhandlungstag findet am 26. September statt.

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