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Eine Frau zieht eine Bahn Kokain durch die Nase. Häufig werden dafür Geldscheine genommen.

© imago images/Panthermedia

Prozess vor dem Landgericht: Wie eine Berliner Großfamilie Geld mit Kokain-Taxis gemacht haben soll

Die Urania in Schöneberg war am Freitag wie eine Festung gesichert. Acht Angeklagte sollen Kokain-Taxis betrieben haben. Was steckt dahinter?

Die Urania in Schöneberg ist gesichert wie eine Festung. Polizisten vor dem Gebäudekomplex und auch auf dem Dach. Passanten nähern sich vorsichtig. „Was gibt es denn da so Bedeutendes“, fragt eine ältere Dame.

Schließlich hatte die gemeinnützige Bildungseinrichtung mit einer über 125-jährigen Tradition immer wieder große Persönlichkeiten als Referenten zu Gast – wie Albert Einstein, Thomas Mann oder Michail Gorbatschow. Nun ist ein ganz anderes Kapitel aufgeschlagen worden: Einer mutmaßlichen Koks-Taxi-Bande wird in der Urania der Prozess gemacht.

Das Berliner Landgericht, dessen Strafkammern eigentlich im Moabiter Kriminalgericht tagen, hat den „Edison“-Saal gemietet. Für ein Verfahren, dass in Zeiten der Corona-Pandemie die Möglichkeiten im Gerichtsgebäude sprengt. Angesichts von acht Angeklagten und 16 Verteidigern könne in den Moabiter Sälen das verordnete Abstandsgebot nicht eingehalten werden können, hieß es.

Eine Wirtschaftsstrafkammer machte vor einigen Wochen den Anfang mit einer Verhandlung in der Urania. Diesmal geht es um einen Fall, den die Ermittler der Organisierten Kriminalität zurechnen. Ein 30-jähriger Angeklagter trägt den Namen eines bekannten Berliner Clans und befindet sich in U-Haft. Er muss bewacht werden. Aus der Familie derselben Großfamilie soll auch der zweite Hauptangeklagte stammen.

Massive Sicherheitsvorkehrungen sind angeordnet. Dutzende Polizisten und Justizbedienstete setzen sie um. Wer in den Saal will, musste sich im Vorfeld anmelden und auf einen der wenigen Besucher-Plätze hoffen. Keine Tasche ist erlaubt, kein Handy, Wasserflaschen müssen draußen blieben. „Abstand halten“, heißt es immer wieder. Sieben der acht Angeklagten, die von Untersuchungshaft verschont worden waren und frei sind, kommen heiter und begrüßen sich nah und herzlich.

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Sie sollen sich spätestens Ende Juli 2019 zusammengeschlossen haben, um in Berlin einen professionellen Kokain-Lieferservice aufzuziehen. Die Bestellungen hätten sie telefonisch aufgenommen, die Auslieferungen an die Abnehmer seien dann per Pkw erfolgt. Berlinweit, zuverlässig, diskret waren die Kokskuriere in ihren oft noblen Taxis laut Anklage unterwegs.

Übergaben hätten in einer Garage, auf einem Fußballplatz, in einem Sportstudio, in einem albanischen Café oder in einem Luxushotel am Brandenburger Tor stattgefunden.

Ein halbes Gramm für circa 40 Euro

Ein täglicher „Service“, der in der Regel um die Mittagszeit begann und in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages endete. An 92 Tagen hätten sie bei 301 Lieferfahrten fast 375 Portionen verkauft. Der 39-jährige Mohamed V. soll die Geschäfte aus einer Bar in Hellersdorf heraus geleitet haben.

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Die Staatsanwaltschaft hält ihn für den Kopf der Gruppierung. Er sei von dem Angeklagten Ali C. ,30, unterstützt worden. Eine Konsumeinheit Kokaingemisch (ca. 0,5 Gramm) seien für durchschnittlich 40 Euro verkauft worden. Laut Anklage soll die Gruppierung bis zum 12. November 2019 rund 15 000 Euro Gewinn erzielt haben.

Für den Prozess gegen die 19- bis 30-Jährigen Männer sind 29 weitere Tage bis Ende Februar 2021 geplant. Am ersten Tag wurde lediglich die Anklage verlesen. Der Prozess geht am 25. August weiter.

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