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Die Anklage gegen den 49-jährigen Qussei H. nach den Schüssen am Nettelbeckplatz lautet auf Mord.

© Dominik Totaro

Update

Prozess um tödliche Schüsse in Berlin-Wedding: Musste das Opfer sterben, weil sein Sohn den Neffen des Angeklagten erstach?

Wegen Mordes an einem 46-Jährigen vor einem Backshop steht ein Mann vor Gericht. Laut Anklage wollte er die „verletzte Ehre“ seiner Familie wiederherstellen.

Die Kapuze hatte der Angreifer tief ins Gesicht gezogen, als er vor dem Backshop in Berlin-Wedding plötzlich eine Pistole zog. Vier Schüsse trafen einen Stammgast. Der 46-Jährige hatte keine Chance.

Knapp acht Monate später steht der mutmaßliche Schütze vor dem Landgericht. Die Anklage gegen den 49-jährigen Qussei H. lautet auf Mord. Er habe sich an der Familie von Hatem B. rächen und die „verletzte Ehre“ der Familie H. wiederherstellen wollen, so die Staatsanwaltschaft. Qussei H. hüllte sich am Dienstag in Schweigen.

Gewalt folgte laut Anklage auf Gewalt. Ein 18 Jahre alter Neffe des Angeklagten wurde im Mai 2021 im Volkspark Humboldthain niedergestochen. Zwei Gruppen seien in der Nacht zum Pfingstsonntag in einen Streit geraten, hieß es damals.

Ein 16-Jähriger soll ein Messer gezogen, mehrfach auf den 18-Jährigen eingestochen haben. Der Neffe von Qussei H. verstarb fünf Tage später in einem Krankenhaus. Als mutmaßlicher Messerstecher wurde der Sohn von Hatem B. festgenommen.

Drei Monate nach dem Tod seines Neffen soll Qussei H. blutige Rache genommen haben. Obwohl sich der 16-Jährige in Haft befand, obwohl es Entschuldigungen gegeben haben soll.

Vor Gericht sitzen Qussei H. und der Sohn des Opfers sich gegenüber

Nun sitzen sie sich im Gerichtssaal als Angeklagter und Nebenkläger gegenüber: Qussei H. als mutmaßlicher Mörder und der Sohn des Erschossenen, der vor rund zwei Monaten wegen Totschlags verurteilt wurde. Eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten erging gegen den 16-Jährigen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Der Angeklagte mit deutscher und irakischer Staatsbürgerschaft soll heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen agiert haben. Dabei habe H. gewusst, dass den Vater von Hatem B. keinerlei Schuld am Tod des 18-Jährigen traf.

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Es war 19.35 Uhr, als am 27. August 2021 ein dunkel gekleideter Mann auf den Backshop an der Reinickendorfer Straße zuging. Wie so oft saß Hatem B., der aus Tunesien stammt, mit Bekannten vor dem Geschäft.

Der Angreifer zog aus seiner Jacke eine Pistole, drückte ab. Vier Schüsse aus zwei Metern Entfernung. Eine Kugel traf in den Hals, eine durchdrang die linke Brust. Zeugen leisteten erste Hilfe. Der 46-jährige Mann verstarb wenig später in einem Rettungswagen.

Mehrere Augenzeugen gab es für die Tat nahe dem Nettelbeckplatz. Der Schütze floh zunächst zu Fuß. Ein Sicherheitsmitarbeiter eines Supermarktes verfolgte ihn.

„Der Zeuge sah, wie der Verdächtige in ein weißes Auto stieg“, sagte eine Kriminalbeamtin im Prozess. In dem Wagen soll sich ein Beifahrer befunden haben. Als das Fahrzeug wendete, habe der Zeuge mit seinem Handy ein Foto geschossen. Seit dem 11. Oktober befindet sich H. in Untersuchungshaft. Das Gericht hat 15 weitere Prozesstage bis August angesetzt.

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