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Kann eine Frau mit Kopftuch in hoheitlicher Funktion für den Staat auftreten?

© Martin Schutt/dpa

Update

Premiere in Berliner Gerichten: Referendarin mit Kopftuch führt Prozess für Staatsanwaltschaft

Es ging um bewaffneten Diebstahl: Am Mittwoch hat erstmals eine Referendarin mit Kopftuch den Staat vor Gericht vertreten. Die SPD kritisiert den Justizsenator.

Am Berliner Amtsgericht Tiergarten hat am Mittwoch erstmals eine Referendarin mit Kopftuch für die Staatsanwaltschaft an einem Prozess teilgenommen. Dabei habe sie, wie in der jüngsten Neuregelung vorgeschrieben, keine Robe getragen, auch habe ihr Ausbilder neben ihr gesessen. Das sagte eine Justizsprecherin am Mittwoch dem Tagesspiegel.

Es ist den Angaben zufolge der erste Auftritt einer Vertreterin des Staatsanwaltschaft mit Kopftuch in der Berliner Justiz nach der Freigabe für Referendarinnen. Erteilt wurde die Freigabe von Kammergerichtspräsident Bernd Pickel und dem Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamt. In breiten Teilen der Richterschaft und der Staatsanwaltschaft wird diese Entscheidung jedoch auf Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zurückgeführt. Auch die rot-rot-grüne Koalition wird damit erneut belastet.

In dem Prozess am Mittwoch ging es um einen bewaffneten Diebstahl. Der geständige Angeklagte wurde zu 90 Tagessätzen à acht Euro verurteilt. Die Nachricht vom Prozess und der Kopftuch tragenden Referendarin hatte sich am Mittwoch in der Justiz rasch verbreitet.

Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Sven Kohlmeier, wertet den Kopftuch-Auftritt als eine Provokation des Justizsenators. Nach den heftigen Zerwürfnissen, die Behrendt in der vergangenen Wochen im Abgeordnetenhaus und in der Koalition ausgelöst hatte, hätte der Senator die Kopftuch-Freigabe stoppen müssen, sagte Kohlmeier.

Zudem habe der Senat am Dienstag entschieden, dass nach der Kopftuch-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu einer angehenden Lehrerin das weiterhin gültige Neutralitätsgesetz geprüft werden solle. Damit betraut wurde Innensenator Andreas Geisel (SPD). Dass einen Tag später nun eine Referendarin mit Kopftuch in einem Berliner Gerichtssaal aufgetreten sei, sei ein weiterer Affront des Justizsenators. „Das ist unterirdisch“, sagte Kohlmeier.

Richterrat: Kopftuch-Freigabe „ist verfassungswidrig“

Als Rechtsanwalt würde er Verfahren rügen, in denen von Kopftuch tragenden Referendarinnen Anklage und Plädoyer verlesen werden. Es handle sich ganz klar um hoheitliche Aufgaben, dafür gelte das Neutralitätsgebot. „Das ist politisch und gesellschaftlich hochgefährlich“, sagte Kohlmeier. „Herr Behrendt macht ein Tor auf, ich weiß nicht, wie er diese Entwicklung wieder einfangen will.“

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Der Hauptrichter- und Staatsanwaltsrat, vergleichbar mit einem Hauptpersonalrat, erklärte: Die Kopftuch-Freigabe für Referendare „ist verfassungswidrig“. Darauf sei der Kammergerichtspräsident ausdrücklich hingewiesen“ worden. Es handle sich um eine „Herzensangelegenheit des Senators“, dies sei aber nur ein Zwischenschritt zu seinem Ziel, auch Staatsanwälte und Richter „mit offen gezeigten Symbolen bei der Verrichtung hoheitlicher Tätigkeiten zu erleben“.

Auch aus der CDU gab es Kritik. "Bei der vergangenen Plenarsitzung wurde noch einmal deutlich, dass es weder eine Mehrheit in der Koalition und erst recht nicht im Parlament dafür gibt, Referendarinnen das Tragen religiöser Symbole, konkret des islamischen Kopftuchs, zu erlauben", sagte Sven Rissmann, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus: "Dennoch beschreitet Senator Behrendt diesen Irrweg weiter. Das ist eine selten da gewesene undemokratische Missachtung des Parlaments."

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