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Angela Merkel liegt auf der Couch des Psychiaters, kann sich an der Anrede „Frau Bundeskanzlerin“ nicht satt hören.

© Chris Gonz

Premiere im Kabarett-Theater: Als Angie einmal die Welt retten wollte ...

Die "Distel" spürt im Stück "Weltenretter für Anfänger" an einem furiosen Abend der Merkel-Endzeit-Stimmung nach.

Es liegt nicht gerade Abschiedsmelancholie über dem Lande, aber ein bisschen ist es doch wie vor satten zwanzig Jahren am Ende der Ära Kohl – man spürt, da hat etwas seinen Zenit überschritten, und denkt, nun reicht es aber auch. Dass das Kabarett-Theater Distel mit dem neuen Programm – Premiere war am Freitagabend – die untergründige Merkel-Endzeit-Stimmung aufnimmt, spricht für gute Beobachtung des Umfeldes.

So viele Programme um die Langzeitkanzlerin wird es an der Friedrichstraße wohl nicht mehr geben. Also packt Thomas Lienenlüke als Hauptautor unter dem Motto „Weltretten für Anfänger“ beherzt ironisch alles, was man über die Schwächen der Kanzlerin so weiß oder zu wissen glaubt, zusammen. Er entwickelt daraus eine Geschichte, die dank eines grandiosen Teams auf der Bühne und an den Instrumenten einen furiosen, manchmal chaotischen und durchgehend von großem Spielwitz getragenen Abend lang trägt.

Dabei ist der Plot im ersten Teil burlesk übertrieben und zum Brüllen komisch, im zweiten nach dem Motto „was wir aus der Geschichte lernen können“ etwas schwächer, aber, bitte, Kabarett ohne Moral von der Geschichte wäre halt auch nur Zynismus pur. Und so läuft das: Angela Merkel liegt auf der Couch des Psychiaters, kann sich an der Anrede „Frau Bundeskanzlerin“ nicht satt hören, sucht nach dem bleibenden Erfolgserlebnis und will vor allem den Satz „Wir schaffen das“ aus der Geschichte tilgen.

Es ist ein Abend mit vielen Rollen

Die gelernte Physikerin erfindet eine Zeitmaschine, mit deren Hilfe ein an seiner Erfolgslosigkeit herumnörgelndes Paar in die Zukunft versetzt wird. Das gelingt auch, was das rein Technische betrifft, scheitert aber im Ergebnis, denn das Paar landet nicht in einem besseren Leben, sondern in einer perfekten Diktatur. Lehre aus dem Experiment: Morgen wird nicht alles besser sein, sondern viel schlimmer, wenn wir nicht jetzt anfangen, das Böse zu bekämpfen.

Auch wenn sich das nicht so anhört, es ist ein Abend mit vielen Rollen, der eigentlich eine Bühne mit großem Ensemble herausfordert. Aber die Distel lädt die Präsentation von insgesamt überschlägig mehr einem Dutzend Personen lediglich drei Darstellern auf, die im Halbdunkel des Szenenwechsels nicht nur die Kulissen schieben, sondern auch die Kostüme und ihre Charaktere tauschen. So sehen wir alleine im ersten Teil Tim Doley ganz großartig überdreht als Angela Merkel und nörgeligen arbeitslosen Akademiker.

Man bekommt ein paar schöne Lebensweisheiten mit

Dann die unglaublich wandelbare, ausstrahlungsstarke Caroline Lux als Andrea Nahles, Akk, Ärztin, Paketbotin und idealistisch-linke Grundschullehrerin. Schließlich Michael Nitzel, der hinreißend in die Rolle der Rampensau verliebt ist, als Psychiater, Kanzlerinberater und cholerischen Postbeamten a.D. mit Blockwartzügen. Tilman Ritter (Klavier und Keyboards) und Falk Breitkreuz (Schlagzeug, Saxophon, Querflöte) haben mit Anleihen bei Star Wars und Strauß‘ „Also sprach Zarathustra“ eine perfekt zwischen den Milieus changierende Musik komponiert.

Und wie es sich für Kabarett gehört, das sich nicht plump anbiedert, sondern durch Wortwitz, nicht frei von Zynismen, im Kopf haften bleibt, bekommt man noch ein paar schöne Lebensweisheiten mit. Nehmen Sie die: Zeitung, das sind auch dann noch Buchstaben, wenn der Strom ausfällt…
Weitere Vorstellungen: Ab 18. März

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