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Mit viel Rauch zog die an der Spitze vermummte 18-Uhr-Demo durchs Myfest.

© Jörn Hasselmann

Nach dem 1. Mai in Berlin-Kreuzberg: So wenig Krawall war nie

Noch ruhiger als im Vorjahr: Der 1. Mai 2018 geht in die Kreuzberger Geschichte ein. Es wurde eigentlich nur gefeiert.

Kreuzberg findet zur Normalität zurück: Dafür gibt es zwei gewichtige Indizien: Polizei und Innensenator haben die traditionelle Pressekonferenz am Tag danach einfach abgesagt, es gebe nichts zu sagen. Und die Kreuzberger Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) ist über das lange Wochenende einfach in den Urlaub gefahren.

Tatsächlich war der 1. Mai nach dem bereits extrem ruhigen Jahr 2017 noch ein Stück ruhiger. Bemerkenswert ist, was es alles nicht gab: Kein Streit um PKK-Symbole, keine Krawalle bei der Autonomen-Demo am Abend, keine Rangeleien zwischen Betrunkenen und der Polizei in der Nacht, keine Wasserwerfer, keine eingeschlagenen Schaufenster. Die Aufzählung ist nicht vollständig.

Mehr als 100 Festnahmen

In Zahlen: Nur 6000 Teilnehmer bei der Autonomen-Demo am Abend (2017 waren es 10.000). Die Zahl der (sämtlich nur leicht) verletzten Beamten sank mit 20 auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Nur zwei von ihnen mussten vom Dienst abtreten. Ein Beamter erlitt ein Knalltrauma, ein weiterer eine Handverletzung ohne Fremdeinwirkung.

84 Festnahmen gab es bei den Demonstrationen, 19 weitere nach Taschendiebstählen und ähnlichen Delikten. 2017 waren bei der 18-Uhr-Demo 72 Personen festgenommen worden. Dass diese Zahl nun gestiegen ist, mutet angesichts der Friedlichkeit zunächst widersprüchlich an. Es gilt aber: Je ruhiger die Lage ist, desto konsequenter kann die Polizei im Laufe des Abends wiedererkannte Straftäter aus der Menge fischen. Eskaliert eine Demo so wie zuletzt 2009, fehlen Zeit und Kapazitäten dazu. Die Zahl der Festnahmen dürfte sich in den nächsten Tagen und Wochen noch erhöhen. Wie das Präsidium mitteilte, hat die Soko "1. Mai" ihre Tätigkeit wieder aufgenommen. Die Ermittler werden zunächst das umfangreiche Video- und Fotomaterial auswerten.

Mehr Besucher beim Myfest

Wie schon im letzten Jahr war die "Revolutionäre 1. Mai-Demo" nicht angemeldet, wie 2017 sammelten sich die Teilnehmer auf dem Oranienplatz, um dann zunächst durch das - von Autonomen gehasste - Myfest zu ziehen. Obwohl das Fest voller war als 2017, gab es trotz der von gezündeten Pyrotechnik nicht die von den Sicherheitsbehörden gefürchtete Panik. Vor dem 1. Mai hatten Innensenator Andreas Geisel (SPD) und die Polizei darauf verwiesen, dass die Demo nicht starten dürfe, wenn das Fest zu voll sei - um eine Massenpanik mit Toten und Verletzten wie bei der Love Parade 2010 in Duisburg zu vermeiden. Das Myfest war deutlich voller als im letzten Jahr, die maximale Auslastung lag bei 75 Prozent, 2017 waren es nur 65 Prozent gewesen.

Die Demo mit einem großen Block vermummter Autonomer an der Spitze lief bis zum im Internet veröffentlichten Ziel, dem Schlesischen Tor. Dort war es dann wie in den letzten Jahren: Es passierte nichts, es fehlte ein gemeinsamer Plan und eine Taktik. Ein größerer Teil der Demonstranten wollte auf der anderen Fahrbahnseite der Skalitzer Straße einfach zurück zum Myfest. Es reichte eine behelmte Hundertschaft, um dies zu unterbinden. In der Folge zersplitterte die Demo schnell in kleine Gruppen, bereits um 20 Uhr herrschte weitgehend Ruhe. Und anders als früher war es keine "gespannte" Ruhe. Es blieb bei ein paar Böllern und Flaschen aus der Demo heraus in Höhe Görlitzer Park. Wie im Vorjahr waren knapp 5200 Beamte im Einsatz, darunter 1581 Unterstützungskräfte aus neun Bundesländern und der Bundespolizei.

Feiern im Görlitzer Park

Hier hatte das Bezirksamt erstmals ein Fest organisiert, nachdem es 2017 zu chaotischen Szenen mit wild feiernden Menschen, starken Zerstörungen und exzessiver Lärmentwicklung gekommen war. Das „MaiGörli“-Fest mit zwei Bühnen war überraschend gut besucht. Bereits gegen 17 Uhr mussten nach Polizeiangaben alle Eingänge geschlossen werden, nachdem mit 12.500 Menschen die zuvor errechnete maximale Auslastung erreicht war. Für den Bezirk sei das Fest im Park ein voller Erfolg, wie Sprecherin Sara Lühmann sagte. Ob es 2019 eine Neuauflage geben wird, sei dennoch nicht sicher. Das müsse man zuvor "mit den Anwohner*innen besprechen" und dann im Bezirksamt beraten, wie es in einer Mitteilung heißt. Das ist Kreuzberg. Die BSR begann bereits um 1 Uhr in der Nacht, in Kreuzberg 36 den Müll zu beseitigen. Nach Angaben der Stadtreinigung hatten 100 Mitarbeiter innerhalb weniger Stunden bereits 150 Kubikmeter Partymüll eingesammelt.

Lob gab es von vielen Seiten: „Die Bürger haben den 1. Mai von den Linksextremisten zurückerobert. Nicht die gewaltbereiten Linkextremisten haben die Straßen beherrscht, sondern die friedlich demonstrierenden und feiernden Bürger", sagte der CDU-Abgeordnete Burkard Dregger, der sich wie viele andere Innenpolitiker den 1. Mai vor Ort angesehen hatte.

Eine Überraschung hatte die Polizei am Nachmittag erlebt: Bei der als Satire-Demo eingestuften Versammlung „1. Mai im Grunewald“ kamen statt der angekündigten 200 Teilnehmer etwa 3000. Bei dem Aufzug wurden mehrere Autos, Hauswände, Zäune und Stromverteilerkästen beschmiert. Insgesamt wurden 68 Sachbeschädigungen, gezählt, sechs Tatverdächtige wurden festgenommen.

Nach der Demo wurden zahlreiche Gewalttäter festgenommen.
Nach der Demo wurden zahlreiche Gewalttäter festgenommen.

© Jörn Hasselmann

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