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Jährlich werden 330 Millionen illegale Zigaretten in Berlin verkauft.

© ddp

Illegaler Zigarettenhandel: Rauchzeichen organisierter Kriminalität

Vietnamesen beherrschen den illegalen Zigarettenhandel. Etwa 330 Millionen Zigaretten wechseln pro Jahr allein in Berlin illegal den Besitzer.

Die Zigarettenmarke „Jin Ling“ ist in keinem Kiosk zu kaufen, und Werbung darf für die gelbe Schachtel auch nicht gemacht werden. Trotzdem steht die Marke nach Schätzung von Experten auf Platz acht der meistgerauchten Zigaretten in Deutschland. Das Geschäft ist hochprofitabel – und illegal. Am wenigsten haben diejenigen davon, die für den zweifelhaften Verkaufserfolg der „Jin Ling“ verantwortlich sind: die vietnamesischen Zigarettenhändler, die vor allem in den östlichen Bezirken ihre Ware vor S-Bahnhöfen und vor Supermärkten anbieten.

Etwa 20 000 Vietnamesen leben in Berlin. Viele von ihnen halten sich mit dem Verkauf von Zigaretten über Wasser, sagt Norbert Scheithauer, Sprecher des Zollfahndungsamtes Berlin-Brandenburg. Etwa 330 Millionen Zigaretten wechseln pro Jahr allein in Berlin illegal den Besitzer, etwa 16,5 Millionen Stangen.

Eine Russin kaufte einst die chinesische Marke und lässt sie laut Scheithauer mittlerweile an drei Standorten herstellen – völlig legal. In den Werken im russischen Kaliningrad (Königsberg), in der moldawischen Hauptstadt Chisinau und im polnischen Dorohusk laufen die Maschinen 24 Stunden am Tag, ohne Pause. Die Herstellung einer Schachtel kostet zwölf Cent, der Straßenverkäufer in Berlin nimmt zwischen 1,80 und zwei Euro. „Eine riesige Gewinnspanne“, sagt Scheithauer. Der Händler selbst, der die Zigaretten an die Passanten verkauft, sieht davon jedoch nur einen Bruchteil.

Erst Anfang Juni wurde eine Vietnamesin aus der „oberen Händlerebene“, wie Scheithauer es nennt, festgenommen. Die 37-Jährige habe in einer schicken Altbauwohnung in Charlottenburg gewohnt und einen Blumenladen gekauft – zur Tarnung und zur Geldwäsche. „Diese Leute fassen die Zigaretten gar nicht mehr an“, sagt er. Kriminelle Karrieren wie diese sind es, die illegale Einwanderer anlocken, ebenfalls ihr Glück in der Schmuggelwirtschaft zu suchen, sagt die Geschäftsführerin des Vereins „Reistrommel“, Tamara Hentschel, die seit den 90er Jahren Vietnamesen in Berlin betreut. „Das Problem ist, dass diejenigen, die hier ohne Aufenthaltsgenehmigung sind, keiner geregelten Arbeit nachgehen können“, sagt Hentschel. Um überleben zu können, verkauften viele von ihnen Zigaretten, arbeiteten in Privathaushalten oder als Abwäscher in Restaurants. Manche blieben in der Illegalität oder gingen Scheinehen ein, um in Deutschland bleiben zu können. „Manche geben auch auf und gehen zurück“, sagt Hentschel.

Diejenigen, die in Berlin blieben, hätten ein hartes Leben, sagt auch Scheithauer. Fast alle müssten einen Teil ihres schmalen Verdienstes als „Standgeld“ für ihren Straßenplatz zahlen. In den 90er Jahren eskalierte der Kampf zwischen Schutzgelderpressern bis zu Hinrichtungen auf offener Straße. Inzwischen hat die Polizei die Szene beruhigt, die Zahl der Handelsplätze in der Stadt ging von rund 1000 in den 90er Jahren auf etwa 350 zurück. Doch die Menge der verkauften Zigaretten blieb nach Angaben des Zolls nahezu konstant. „Solange die Nachfrage besteht, werden die Händler immer neue Wege finden“, sagt Zollfahnder Scheithauer. Schließlich werfe der illegale Zigarettenhandel heute mehr Gewinn ab als das Drogengeschäft. (ddp)

Katharina Wiechers

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