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Polizist mit Waffe und Handschellen (Symbolbild)

© dpa

Update

Angriffe auf Rettungskräfte in Berlin: „Wir werden uns ganz bestimmt keine Sicherheitswesten beschaffen“

In Berlin-Moabit schießt ein Polizist auf eine Frau, nachdem sie ihn und Rettungskräfte attackiert hat. Angriffe auf Rettungskräfte sind Alltag. Doch dieser war besonders dramatisch.

Die Klinge blieb stecken, bevor sie den Körper erreichte, vielleicht wäre der Polizist sonst tot oder schwer verletzt. Er stand mit einem Kollegen am Sonntag, kurz vor Mitternacht, in einer Wohnung in der Stephanstraße in Mitte, als plötzlich eine junge Frau auf ihn einstach.

„Eine 27-jährige Schwedin“, heißt es im internen Lagebericht der Polizei. Das Messer blieb „in einem Ausrüstungsgegenstand“ des Beamten hängen. Doch der gab einen Schuss ab und traf die Frau in den Oberschenkel. Die 27-Jährige liegt jetzt in einem Krankenhaus, ist aber außer Lebensgefahr.

Dramatisches Ende eines Rettungseinsatzes. Denn die Polizisten standen nur da, weil Sanitäter des Malteser Hilfsdienstes, unterwegs im Auftrag der Berliner Feuerwehr, sie gerufen hatten. Eigentlich sollte es um einen medizinischen Notfall gehen. Aber dann wurden die Hilfskräfte attackiert.

Ausnahme im Polizeialltag

Ungewöhnlich ist nur die Dramatik dieses Einsatzes. Gegen die Täterin ermittelt nun die Mordkommission. Schüsse, möglicherweise als letztes Mittel, um Leben zu retten, gehört zu den absoluten Ausnahmen im Alltag von Polizisten.

Im Juni 2013 erschoss die Polizei einen verwirrten, bewaffneten Mann im Neptunbrunnen in Mitte, Ende August 2016 einen Randalierer in Hellersdorf. Ebenfalls 2016 starb durch eine Polizeikugel ein Mann, der auf einen anderen Mann mit einem  Messer losging. Er verdächtigte ihn, seine Tochter missbraucht zu haben. Im Februar 2017 erschoss die Polizei in Neu-Hohenschönhausen einen 25-Jährigen, der mit einem Messer Polizisten attackierte.

In der Polizeiausbildung „ist das Verhalten beim Einsatz von Hieb- und Schusswaffen ein Topthema“, sagt ein Ausbilder der Polizeiakademie. Allein die rechtliche Bewertung dieses Punktes wird in 50 Unterrichtseinheiten behandelt. Dazu kommt noch die praktische Ausbildung.

„Es wird auch intensiv gelehrt, wann man die Schusswaffen nicht einsetzt und wie man mit bewaffneten Tätern umgeht. Man isoliert sie zum Beispiel erstmal“, sagt der Ausbilder. „Aber wenn jemand mit einem Messer auf einen losstürmt, dann ist das eine andere Gefahrensituation. Eine Distanz von sechs Metern könne in weniger als zwei Sekunden überwunden werden.“

„Wir werden uns ganz bestimmt keine Sicherheitswesten beschaffen“

Angriffe auf Rettungskräfte, auf Polizisten, unter dem Einsatz von gefährlichen Waffen wie etwa Messer, sind Alltag. Laut Berliner Kriminalstatistik wurden 2017 mehr als 6800 Polizisten und 235 Rettungskräfte beschimpft, beleidigt, angespuckt oder geschlagen. Nach den Einsätzen in der vergangenen Silvesternacht meldete die Feuerwehr acht Angriffe auf Einsatzkräfte und 57 auf Einsatzfahrzeuge „mit erheblichem Sachschaden“.

Feuerwehr-Einsätze, das stellt Björn Radünz klar, werden trotzdem nicht zum martialischen Auftritt. „Wir werden uns ganz bestimmt keine Sicherheitswesten beschaffen“, sagt der Pressesprecher der Feuerwehr. „Wenn wir bedroht werden, rufen wir die Polizei. Wir ziehen uns so lange zurück.“ Passieren kann durch die Wartezeit ja nicht viel. „Wenn uns jemand mit einem Messer bedroht, kann er nicht lebensgefährlich verletzt sein.“ In der Ausbildung wird vielmehr Deeskalation gelehrt. „Wir versuchen, die Leute erstmal zu beruhigen.“ Wenn das nicht hilft, übernehmen die Kollegen mit den schusssicheren Westen.

Bis vor Kurzem noch keine Statistik

Radünz stellt allerdings trotz der aktuellen Vorfälle keinen bemerkenswerten Anstieg von Attacken aller Art fest. 400 000 Einsätze absolviert die Feuerwehr im Jahr, das sind mehr als früher, und „damit steigt einfach auch die Zahl der Vorfälle“. Beleidigungen „gehören für uns zum Alltag, so etwas gibt es seit 20 Jahren“.

Vergleichsweise neu ist allerdings, dass solche Beleidigungen offiziell dokumentiert werden. „Früher“, sagt Radünz, „hat man so etwas einfach nicht gemeldet. Da hat man in der Wache darüber gesprochen, und gut war.“ Es gab auch bis vor Kurzem keine Statistik über derlei Vorfälle. „Die Leute lassen sich jetzt halt nicht mehr alles bieten.“ Aber immer noch genug. „Wir haben ja auch ein dickes Fell.“

Björn Radünz ist auch bereit, in manchen Fällen mildernde Umstände anzuerkennen. „Wenn jemand zuckerkrank ist und gerade unterzuckert ist, kann es schon zu Entgleisungen kommen.“ Und „wer unter Drogeneinfluss“ pöbelt, wird oft nur sehr bedingt ernstgenommen. Drogen, damit meint Radünz, Alkohol. „Wenn die Leute wieder nüchtern sind und dann hören, was sie uns an den Kopf geworfen haben, dann sagen die auch schon mal: Oh Gott.“

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