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Bis 2024 muss Berlin 86.000 Schüler zusätzlich unterbringen.

© Daniel Karmann/dpa

Planungsfehler in Berlin: Tram durchkreuzt Pläne für Schulbau in Hellersdorf

Eine Schule platzt aus allen Nähten, ein Neubau wird jahrelang versprochen. Dann stoppt ein Planungsfehler das ganze Vorhaben. Er wird zufällig bekannt.

Wenn ein dringend benötigtes und jahrelang geplantes neues Schulgebäude nicht gebaut werden kann, weil plötzlich eine alte Tramplanung bekannt wird – ist das dann ein ärgerlicher Einzelfall? Oder eher ein Alarmsignal für Berlins gesamte Schulbauoffensive? Die Antwort ist nicht leicht, weil der Fall komplex ist. Aber der Reihe nach:

Die Geschichte ist in Hellersdorf angesiedelt, genauer gesagt am Schleipfuhl, wo sich die gleichnamige Grundschule befindet. Seit Jahren leidet sie unter der Raumnot, unter dem baulichen Zustand, einem maroden Container, und dazu noch unter all dem, worunter alle Schulen im sozialen Brennpunkt nun mal leiden.

Ein angeblich sehr dramatischer Brandbrief wurde schon 2015 vom Kollegium geschrieben – und nur deshalb nicht abgeschickt, weil SPD-Fraktionschef Raed Saleh und der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier gerade zu Besuch in der Schule waren und versprachen, sich der Probleme anzunehmen.

Die Tram ist als „Langfristmaßnahme“ angedacht

Einiges war seither auf einem besseren Weg – bis zu einer Bustour mit Verwaltungsfachleuten vor einigen Monaten. Da hatte der Bus gerade die SchleipfuhlSchule passiert, als sich eine Mitarbeiterin zu Wort meldete und die Mitfahrenden darauf hinwies, dass die für den geplanten Modularen Ergänzungsbau (MEB) vorgesehene Fläche für die Straßenbahn reserviert sei. Konkret: Die Tramtrasse soll entlang der Nossener Straße genau zwischen dem Hauptgebäude der Grundschule und dem geplanten MEB verlaufen – falls die Tram gebaut wird.

Noch weiß zwar niemand, ob das Teilstück kommt und wenn ja, wann: Es bestünden „keine konkreten Planungen“, teilte Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) kürzlich dem CDU-Abgeordneten Mario Czaja mit. Die „Maßnahme“ sei aber im Stadtentwicklungsplan 2025 als „Langfristmaßnahme“ enthalten. Allerdings sieht Günther darin keinen Hinderungsgrund für den MEB. Vielmehr sei es „notwendig und möglich“, eine „gesicherte Querungsstelle“ für die Schüler zu schaffen, heißt es in einem Brief Günthers an Verkehrsstadtrat Johannes Martin (CDU).

Ab durch die Mitte: rechts die Grundschule am Schleipfuhl, links die geplante Ergänzung, dazwischen die reservierte Tramtrasse.
Ab durch die Mitte: rechts die Grundschule am Schleipfuhl, links die geplante Ergänzung, dazwischen die reservierte Tramtrasse.

© Tsp/Böttcher

Als Günther den Brief am 24. Juli abschickte, war die gesamte Planung allerdings schon hinfällig, denn Günther weist Martin darauf hin, dass Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die MEB-Gelder bereits anderweitig verplant habe. Der Grund: Die Bildungsverwaltung hält es für untragbar und zu gefährlich, wenn zwei Gebäude einer Schule durch eine Tramtrasse voneinander getrennt sind.

Bezirk: Schule ist wichtiger als Straßenbahn

Längst versucht der Bezirk, das Problem anderweitig zu lösen: Der Kauf von Containern gilt als wahrscheinlich. Bildungsstadtrat Gordon Lemm (SPD) teilte am Mittwoch auf Anfrage mit, dass eine Machbarkeitsstudie beauftragt wurde, „deren Ergebnisse wir bald erwarten“. Das sei der erste Schritt auf dem Weg zur Umsetzung.

Noch hat der Bezirk allerdings nicht die Hoffnung aufgegeben, dass der MEB errichtet werden könnte, weshalb Lemm und Bezirksbürgermeistern Dagmar Pohle (Linke) sich vor zwei Wochen mit der Bitte an den Regierenden Bürgermeister und die Bildungssenatorin gewandt haben, den MEB „vor einer ungewissen Tramumsetzung“ zu priorisieren: „Wir erwarten hier innerhalb der nächsten drei Wochen hoffentlich eine Antwort“, teilt Lemm mit.

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Unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfällt, fragt sich allerdings nicht nur Kohlmeier, wie es sein kann, dass eine Schulerweiterung „fünf Jahre lang geplant wird, bis jemandem auffällt, dass dort eine Straßenbahn gebaut werden soll“. Lemm versucht dieses Missgeschick damit zu erklären, dass dem Bezirk „anscheinend nicht bewusst war“, dass „bezüglich der Grundstücksbeschaffenheit bei der Aufstellung eines MEB seitens des Senats sehr enge Forderungen“ gestellt werden.

In schulorganisatorischer Hinsicht seien Bedenken hinsichtlich der Tramüberquerung zwar nachvollziehbar. Andererseits fände er eine „lagebezogene Ausnahme sinnvoll“, da für die Schule keine alternativen Grundstücke zur Verfügung stünden – „auch in der gesamten Region nicht“. Lemm fasst die Meinung des Bezirks dahingehend zusammen, „dass die Schule Vorrang vor einer Tramumsetzung haben sollte“.

Wie auch immer die Sache ausgeht: Die Schülerzahl in Marzahn-Hellersdorf wächst bis 2024 um 30 Prozent, ganz Berlin muss 86.000 Schüler zusätzlich unterbringen. Und unter den Dutzenden Neubauvorhaben gibt es etliche, deren Grundstücksfragen noch längst nicht geklärt sind. Die Schleipfuhl-Geschichte gibt daher einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Querelen zwischen Bezirken und Senat. Weitere Auseinandersetzungen mit Anwohnern – wie zuletzt in Steglitz – zeichnen sich bereits ab.

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