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In der Schule an der Köllnischen Heide sind fast nur Kinder von Menschen mit Migrationshintergrund.

© imago images / Rolf Zöllner

Pilotprojekt an Brennpunktschule in Berlin-Neukölln: Mit Elterngesprächen gegen den starken Einfluss der Moscheen

An einer Neuköllner Grundschule zeigte ein Pilotprojekt zur Integration schwieriger Eltern, das seit 2019 läuft, erste Erfolge. Dann kam die Pandemie.

Die Flammen züngeln bis unter die Scheibe, sie sind nur ein paar Zentimeter vom Lenkrad entfernt, furchterregend, dieses Bild. Soll es ja auch sein, die Fahrertür eines Monstertrucks muss ja schließlich etwas hermachen. Die halbe Karosserie ist bemalt, als müsste gleich die Feuerwehr anrücken, und auf dem langen Anhänger sind neue Autos auf drei Ebenen geschichtet. Das PS-Ungetüm steht auf dem Fensterbrett, gleich neben dem Schrank mit den vielen Brettspielen, dem Mini-Kicker und der gelben Plastikdose im Lego-Design.

Willkommen in der Fantasiewelt für Kinder, in einer Atmosphäre, in der sie sich fallen lassen und entspannen können. Hier ziehen sie sich zurück, wenn sie einer anderen Umgebung entfliehen, wenn sie mit einer Situation überfordert sind und darauf mit Unkonzentriertheit oder Aggression reagieren. Sie sind dann nicht allein in dieser Spielewelt. Sozialarbeiterinnen folgen ihnen ins Spielzimmer der Grundschule an der Köllnischen Heide. Sie spielen oder reden mit den Kindern oder lassen sie in Ruhe. Die Situation gibt die richtige Antwort.

Die Kinder wissen nicht, dass sie Teil eines Pilotprojekts sind, und wenn sie es wüssten, wäre es ihnen auch egal. Aber Astrid-Sabine Busse, der Schulleiterin, und ihrem Lehrer- und Erzieherkollegium ist es nicht egal. Das Projekt ist für sie eine Form von Rettung, zumindest von Schadensbegrenzung. Und für die Senatsbildungsverwaltung ist es irgendwann die Antwort auf die Frage, ob sie es an weiteren Schulen einführen soll.

Das Projekt heißt „Eltern im Blick – Grenzen setzen – Brücken bauen“, es ist im September 2019 von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) gestartet worden, und es hat, kurz gesagt, das Ziel, Probleme, die bei Schülern auftreten, frühzeitig zu erkennen und zu beheben und gleichzeitig die betroffenen Eltern in die Problembewältigung einzubeziehen und sie dabei zu unterstützen.

An einem Tag im Dezember lehnt sich Astrid-Sabine Busse in ihrem Büro entspannt zurück und sagt: „Wir sind sehr zufrieden, Lehrpersonal und Erzieher und Erzieherinnen sind entlastet, auch den Schüler ist geholfen.“ Und die Sozialarbeiterinnen, die Elternbesuche machen, wurden häufig nett empfangen.

Astrid-Sabine Busse hatte vor gut einem Jahr öffentlich Alarm geschlagen, deshalb ist an ihrer Schule das Pilotprojekt eingerichtet worden. 98 Prozent der Schüler sind nichtdeutscher Herkunft, viele arabischstämmig, sehr viele Eltern Empfänger von Transferleistungen und bildungsfern, die berüchtigte Al-Nur-Moschee liegt nur 300 Meter entfernt – das sind die Rahmenbedingungen. Es gab enorme Aggressionen unter den Schülern, ein Lehrpersonal, das mitunter an seine Grenzen stieß, Störungen des Unterrichts und den Einfluss der Moschee. „Viele unserer Kinder haben die Al-Nur-Moschee im Herzen“, sagte die Schulleiterin. „Dort gibt es einen großen Indoktrinierungsgrad. Was dort gelehrt wird, stimmt nicht mit freiheitlich-demokratischen Erziehungszielen überein.“

Ähnliche Probleme haben andere Schulen auch, aber in der Grundschule an der Köllnischen Heide verdichtete sich das Problem, zum erheblichen Teil auch durch den Einfluss der Moschee. Die Schule hat kein völlig neues Lösungskonzept, aber mehr Personal, das ist das Kernstück des Projekts. Bis September 2019 gab es einen Sozialarbeiter, jetzt arbeiten vier Sozialarbeiterinnen an der Schule. Sowohl der ersten als auch der zweiten Klassenstufe ist jeweils eine Sozialarbeiterin fest zugeordnet, die weiteren kümmern sich um die übrigen Klassen.

Durch die größere Personalstärke können die Pädagogen nun ein effektives Frühwarnsystem aktivieren. Haben sie einen Problemfall in ihrer Klasse, kann der betreffende Lehrer sich sofort an die zuständige Sozialarbeiterin wenden und sagen: „Nimm mal bitte dieses Kind aus dem Unterricht, rede mit ihm, spiel mit ihm, beruhige es wieder.“ Das sind dann die Momente, in denen sich Kind und Sozialarbeiterin ins Spielzimmer zurückziehen oder in ein anderes Zimmer, das dafür geeignet ist.

Die Klasse ist entlastet, das Kind auch. So eine zeitnahe Hilfe könnte ein einzelner Sozialarbeiter gar nicht leisten. Gleichzeitig können die Sozialarbeiterinnen die Kontakte zum Jugendamt pflegen und damit das Lehrpersonal entlasten. Am wichtigsten aber waren, jedenfalls bis Corona, die Gespräche mit den Eltern verhaltensauffälliger Kinder. Ausgangspunkt ist die Einschätzung von Astrid-Sabine Busse: „Fast jedes Problem eines Kindes hat seinen Ursprung zu Hause.“

Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen, sagt sie, „ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen“. Kinder, die ohne Essen kommen oder unzureichend bekleidet, die übermüdet oder hochaggressiv sind. Sie und ihr Kollegium haben das doch alles vor Augen. „Man muss seinem Kind zeigen, dass man es liebt. Das hat nichts mit Intellekt oder Geld zu tun.“ Oft, sagt die Schulleiterin, sei das alles gar kein böser Wille. „Wir haben überforderte alleinstehende Mütter.“ Aber es gebe auch Eltern, „die ihrem Erziehungsauftrag nicht nachkommen“. Und natürlich „haben wir viele Eltern, die sich sehr um ihre Kinder kümmern.“ Und, klar, „Kindeswohlgefährdung passiert auch in gutbürgerlichen Bezirken“. Aber wohl nicht in der Intensität wie an Busses Schule. Zu den Eltern, die ihre Kinder erkennbar vernachlässigen, gehen die Sozialarbeiterinnen. „Sie reden freundlich und zugewandt, sie fragen nach Problemen und versuchen zu helfen.“

Doch durch Corona sind diese Gespräche nahezu unmöglich. Und damit lassen sich zumindest die kleinen Erfolge, die es seit Einführung des Projekts gibt, erstmal nicht fortsetzen. Das zeigte sich auch kurz vor den Ferien. Da fragten drei Mädchen unabhängig voneinander ihre Sozialarbeiterin mit großen, traurigen Augen: „Kannst Du nicht mit zu mir nach Hause kommen?“

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