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Oft belastend, nun auch eine Frage des Corona-Schutzes: die häusliche Pflege.

© Jana Bauch/dpa

Update

Pflegende Angehörige und chronisch Kranke: Berlin stellt mehr als eine halbe Million Impfeinladungen in Aussicht

Die Gesundheitsverwaltung hat einen Weg gefunden, um pflegenden Angehörigen elektronische Codes zu verschaffen. Auch jüngere chronisch Kranke sind an der Reihe.

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Bisher konnten pflegende Angehörige in Berlin ihre Verwandten nur zu den Impfungen in die Impfzentren begleiten. Sie selbst hatten kein Anrecht auf eine Spritze. Jetzt hat die Senatsgesundheitsverwaltung ein Verfahren gefunden, wie rund 160.000 pflegende Angehörige Einladungen zum Impfen erhalten. Dem Vernehmen nach sollen sie „zeitnah“ verschickt werden.

Die Verwaltung hatte alle 685 ambulanten Dienste angeschrieben, sie über das Verfahren und die relevante Zielgruppe informiert: Denn jeder zu pflegende Mensch darf bis zu zwei Kontaktpersonen benennen, die für eine Corona-Impfung infrage kommen. Die ambulanten Pflegedienste wurden mit dem Schreiben gebeten, über eine Web-Anwendung die Anzahl der betreuten und zu beratenden pflegebedürftigen Menschen anzugeben. Denn viele Patienten werden ausschließlich von Angehörigen versorgt, die ambulanten Dienste aber suchen diese regelmäßig auf, schauen nach, ob die Pflegebedürftigen gut versorgt werden und beraten sie.

Erhält die Gesundheitsverwaltung von den ambulanten Pflegediensten die Zahlen der Patienten, schicken sie doppelt so viele elektronische Impfcodes zurück. Diese Codes, einschließlich Hinweisen sowie Aufklärungs- und Impfzustimmungserklärung, werden dann über die ambulanten Dienste im Rahmen der Pflegebetreuung oder -beratung an die pflegebedürftigen Personen übergeben. Diese können dann persönlich zwei Menschen benennen, die geimpft werden sollen.

Die Johanniter-Unfall-Hilfe zum Beispiel pflegt in Berlin ambulant 250 Personen und berät 300. Die Johanniter haben der Gesundheitsverwaltung in dieser Woche die Zahlen gemeldet und erwarten laut Fachbereichsleiterin Pflege, Anita Karow, zeitnah jeweils zwei Berechtigungsschreiben pro pflegebedürftige Person, damit die Angehörigen sich zur Impfung anmelden können.

Mit diesem Verfahren werden alle Menschen erfasst, die entweder Pflegesachleistungen oder Pflegegeldleistungen erhalten. Wer einen Pflegegrad hat, erhält entweder Sach- und Geldleistungen oder eine Kombination aus beiden. Bei diesem Verfahren werden nur Pflegebedürftige ab Stufe zwei erfasst. Nicht erfasst werden dagegen Personen, die nach Pflegegrad eins eingestuft werden und keine Pflegedienstleistung in Anspruch nehmen. Diese Personen müssen über einen Sonderweg kontaktiert werden, der laut Gesundheitsverwaltung noch nicht endgültig feststeht.

Anwalt mit Krebserkrankung: „Ich fühle mich hängengelassen“

Außerdem hat die Senatsverwaltung eine Lösung für die 400.000 chronisch Kranken der Prioritätsgruppen zwei und drei gefunden. Dazu gehören etwa Menschen mit Trisomie 21, Organtransplantationen, Tumorerkrankungen, Demenz und auch mit schweren psychischen Erkrankungen.

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Bisher hatte die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KVB) nur chronisch Kranke zwischen 65 und 70 Jahren benachrichtigt. Nun sollen auch chronisch Kranke zwischen 18 und 64 Jahren von der KVB angeschrieben werden, um einen Impftermin zu bekommen. Jüngere Patienten hatten in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, ihren Impfanspruch geltend zu machen.

Ein Anwalt mit Krebserkrankung und kürzlicher Operation an der Lunge, der hier anonym bleiben möchte, hatte sich etwa mit einem ärztlichen Attest seines Onkologen an die Gesundheitsverwaltung gewandt und keine Antwort erhalten. „Für Risikopatienten unter 65 Jahren passiert gar nichts“, sagte der Anwalt. Dabei sei aus der Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums keine Priorisierung nach Alter unter den chronisch Kranken herauszulesen. Juristisch gesehen hätte er ein gleiches Anrecht auf einen Impftermin wie ein 69-jähriger Krebskranker. „Mich ärgert es, dass ich mein Attest nirgendwo einlösen kann, ich fühle mich hängengelassen“, sagte er.

Privatversicherte sollen Impfcode über Hotline bekommen

Eine weitere Gruppe, die in den vergangenen Wochen durch das Raster fiel, waren die Privatversicherten, deren Daten nicht über die KVB abgerechnet werden und von denen an dieser Stelle keine Diagnosedaten vorliegen. Die 69-jährige Ärztin Evelin Lieback leidet an Multipler Sklerose und einer chronischen Herzkrankheit, weswegen sie in die zweithöchste Prioritätsgruppe gehört. Am vergangenen Dienstag rief sie bei der Impfhotline der Senatsverwaltung an.

Dort teilte man ihr mit, dass man selbst auf eine Entscheidung der Koalition warte. „Es muss doch endlich einmal geregelt werden, wie Menschen mit bedeutsamen Vordiagnosen behandelt werden“, sagte sie. Nun will sie es wieder bei der Hotline versuchen, denn laut Mitteilung der Senatsverwaltung können Privatversicherte mit ärztlichem Attest nun über die chronische Erkrankung dort einen Impfcode bekommen.

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