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Berlin: Peter Meisel (Geb. 1935)

Er wusste, was die Leute hören wollten.

Ich suche nach Halskrankheiten, nicht nach einer Stimme“, sagte Peter Meisel. Eine brauchbare Stimme finde man ohne größere Schwierigkeiten, aber diese eine, die herausragt, die man sofort, unter vielen anderen, wiedererkennt, die unverwechselbar samtig oder voll oder rau klingt, sei eine Rarität. Es gehe ihm darum, die Hörer zu erschrecken, in einem verträglichen Maße selbstverständlich; vor den Kopf stoßen wolle er niemanden, den Hörgewohnheiten aber solle doch etwas Neues hinzugefügt werden. Ein Musikstück dürfe nicht von Anfang bis Ende gleich klingen, müsse Gegensätze aufnehmen, laut und leise, schnell und langsam, sparsam und ausschweifend sein.

Über Jahrzehnte gelang Peter Meisel, woran andere Musikverleger schon nach kurzer Zeit scheiterten und sich desillusioniert und erschöpft aus dem Geschäft zurückzogen: Beständig bewies er einen sicheren Geschmack, besaß die untrügliche Ahnung, was die Menschen mögen; wusste, dass dieses Riff oder jener Bass auf eine ganz bestimmte Art gespielt werden müssen, dass die Stimme des Sängers sich so und nicht anders in das Arrangement der Instrumente einzufügen hat.

Obgleich es auch für ihn Momente gab, in denen er nicht weitermachen wollte, in denen er sich nicht mehr unentwegt mit Anwälten auseinandersetzen mochte, deren einzige Absicht darin lag, Forderungen der Künstler zu erstreiten. So kehrte er der Branche zweimal den Rücken, entschied sich von einem Augenblick zum nächsten, die Menschen um ihn drehten sich noch einmal überrascht um, da war er schon weg, zuerst in Colorado, dann in North Carolina, wo er sich ein Haus baute an einem See, der ihn an Glienicke erinnerte, wo er aufgewachsen war vor dem Krieg, mit dem berühmten Vater, einem Komponisten und Musikverleger, dessen Stücke die Leute auf der Straße pfiffen, mit der Mutter, einer Kammersängerin, deren Auftritten er, verborgen im Orchestergraben, folgte.

1989, nach Jahren, die er nicht in den großen Städten und Studios, sondern in den amerikanischen Bergen zugebracht hatte, kam er zurück. „Ich zeig’s euch noch mal“, sagte er und bewies, dass mit ihm tatsächlich noch zu rechnen war, dass seine Begabung, sein Feingefühl noch nicht verschwunden waren. Er entdeckte und förderte den A-cappella-Gesang der „Prinzen“, er hatte maßgeblichen Einfluss auf den Erfolg von Lou Begas „Mambo No. 5“.

Den Beruf des Musikverlegers lernte Peter Meisel beim „Musikverlag Hans Sikorski“, ging anschließend nach New York, zu dem emigrierten Juden Jean Aberbach, in dessen Plattenfirma der junge Elvis Presley gerade untergekommen war. Bei Aberbach begriff Peter Meisel, dass die alten Zeiten vorüber sind, dass man in der Arbeit mit den Künstlern andere, neue Wege gehen muss. Die Musik hatte sich verändert und mit ihr das gesamte Geschäft.

Zurück in Berlin, wollte Peter Meisel das, was er in New York gelernt hatte, umsetzen und gründete, zusammen mit seinem Bruder, die Produktionsfirma „Hansa Musik Produktion“. Was zu Spannungen mit seinem Vater führte. Im Haus wurde eine strikte Trennung vorgenommen: Die Büros des Vaters lagen im Parterre, die des Sohnes im vierten Stock. Die Angestellten des einen durften nicht beim anderen arbeiten.

Stetig ging Peter Meisel mit der Zeit, suchte neue Talente, welcher musikalischen Richtung auch immer; fand Conny Froboess, Nini Rosso, Drafi Deutscher, Marianne Rosenberg, Giorgio Moroder, Juliane Werding, und auch Bands wie Tangerine Dream und Amon Düül, die mit Unterhaltungsschlagern nicht das geringste zu tun hatten.

Nach seinem Tod im Oktober gab es die Idee zu einer Trauerfeier in Berlin, zusammen mit den Künstlern der „Hansa Musik Produktion“. Die Feier fand nicht statt. Denn seine Freunde versuchten sich vorzustellen, was er, in seiner Bescheidenheit, davon gehalten hätte.

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