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Weist bisher alle Schuld von sich: Innensenator Andreas Geisel (SPD).

© Christoph Soeder/dpa

Multiples Organversagen: Pannen-Wahl in Berlin beleuchtet Schwäche der Verwaltung

Nach dem Chaos bei der Wahl ist die Landeswahlleiterin Petra Michaelis zurückgetreten. Doch auch Innensenator Andreas Geisel muss zu seiner Verantwortung stehen.

Von Sonja Wurtscheid

Es ist schon mal das richtige Haus. Als das höchste Wahlorgan Berlins, der Landeswahlausschuss, am Donnerstag zusammenkommt, sitzt Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) nur wenige Flure entfernt. Im Bärensaal der Senatsinnenverwaltung klärt die inzwischen zurückgetretene Landeswahlleiterin Petra Michaelis die Öffentlichkeit über das Ausmaß der Probleme und Fehler bei der Berlin-Wahl am 26. September auf. Die ehemalige Verwaltungsrichterin liefert eine detaillierte Gesamtschau. Nach zweieinhalb Wochen Aufarbeitung steht fest: Die Verantwortung liegt auch beim Innensenator gesucht werden.

Der aber möchte diese Verantwortung von sich weisen. Statt eigene Fehler bei der Organisation der Vierfach-Wahl einzugestehen, beeilt sich Geisels Haus damit, eine Schuldige zu präsentieren. Wenige Tage nach dem Wahltag gibt Landeswahlleiterin Michaelis ihren Rücktritt bekannt, nach mehr als zehn Jahren im Ehrenamt.

Die Liste der Fehler, so zeigt sich, ist lang. Stimmzettel wurden falsch gepackt, sie wurden teils falsch oder zu spät ausgeliefert, Wähler:innen bekamen in manchen Wahllokalen nicht alle Stimmzettel, Minderjährigen wurden Stimmzettel für den Bundestag und das Abgeordnetenhaus ausgehändigt. Manche Wahllokale schlossen zwischenzeitlich, weil sie keine Stimmzettel mehr hatten und der Nachschub wegen der Sperrungen zum Marathon nicht durchkam, gewählt wurde mancherorts bis kurz vor 21 Uhr.

Eine Mitschuld sieht der Senat nicht; für die praktische Durchführung der Wahl sei man nicht verantwortlich. Formal stimmt das. Der nun veröffentliche Bericht aber liefert Hinweise auf ein systematisches Versagen – auch in der Verwaltung. Als die Landeswahlleiterin nach eineinhalb Stunden mit der Auflistung der Fehler fertig ist, ergreift ein Ausschussmitglied erbost das Wort.

"Wo ist Herr Geisel, der diesen ganzen Mist hier mitzuverantworten hat?"

"Dieser Bericht trieft davon, dass man nicht Schuld ist. Wo ist Herr Geisel, der diesen ganzen Mist hier mitzuverantworten hat, der den Marathon toll fand und die Verwaltung kaputt gespart hat?" Die Fragen der anderen Ausschussmitglieder zielen ebenfalls auf die Rolle der Verwaltung ab.

Bereits vor der Sitzung des Landeswahlausschusses mehrten sich die Anzeichen, dass nicht allein die Landeswahlleiterin das Chaos zu verantworten hat. Beispiel Stimmzettel-Knappheit: Lange vor dem Wahltag war bekannt, welche Straßen am 26. September für den Marathon gesperrt sein würden. Am Wahltag dann hatten einige Bezirke, die an der Laufstrecke lagen, Probleme, rechtzeitig neue Stimmzettel in ihre Wahllokale zu schaffen, so geschehen in Charlottenburg-Wilmersdorf.

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Andere Bezirke legten sich ihre Stimmzettel-Depots strategisch so, dass niemand für die Abholung nicht die Laufstrecke queren musste – andere nicht. In Tempelhof-Schöneberg etwa war das so. Der Bezirk hatte am Wahltag keine Probleme, ausreichend Nachschub in die Wahllokale zu schaffen.

Auch wurden Wahlhelfer:innen extrem unterschiedlich gut vorbereitet. Manch Vorstand erhielt die Informationen zur Durchführung des Wahltages erst am Mittwoch nach der Wahl. Alles Belege, die auf systematische Probleme in der Berliner Verwaltung deuten.

In den zweieinhalb Wochen seit der Wahl hat der Innensenator nicht viel mehr getan, als den Einsatz einer Expertenkommission anzukündigen. Doch das genügt nicht. Als Senator muss sich Geisel gerade machen und Fehler im eigenen Haus eingestehen. Viel wichtiger aber noch: verhindern, dass bei der nächsten Wahl wieder Chaos ausbricht. Denn die rechtliche Überwachung von Wahlen ist die Aufgabe der Innenverwaltung – qua Gesetz.

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