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Im Juni haben die Berliner Stadtwerke mit Tempelhof-Schöneberg einen Vertrag zur Installation von Solarpaneelen abgeschlossen.

© imago images / Andreas Vitting

Ökostrom in Berlin: Stadtwerke tragen bislang wenig zur Klimawende bei

Mit den Berliner Stadtwerken wollte der Senat die Energiewende vorantreiben. Bisher bleibt das landeseigene Unternehmen hinter den Erwartungen zurück.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In Berlin holen sich immer mehr Stromanbieter die Sonne vom Dach. Auch kleine Produzenten von Ökostrom, bei denen die Rendite nicht im Vordergrund steht, drängen in den Photovoltaik-Markt. Am Sonnabend wird die Genossenschaft Bürger Energie in der Neuköllner Ossastraße ihr erstes Projekt für Mieterstrom einweihen.

Wirtschafts-Staatssekretär Christian Rickerts will in seinem Grußwort versuchen, den bescheidenen Start in den Solarstrom-Markt in den großen Rahmen des rot-rot-grünen Masterplans „Solar City“ und des Energie- und Klimaschutzprogramms des Senats zu stellen.

Schon im Juni hatten die Berliner Stadtwerke, eine Tochter der landeseigenen Wasserbetriebe, mit Tempelhof-Schöneberg als drittem Bezirk einen Vertrag zur Installation von Solarpaneelen auf den Dächern öffentlicher Gebäude abgeschlossen. Meistens handelt es sich um Schulen. Vorreiter waren die Bezirke Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg, mit sechs weiteren Bezirksämtern laufen Gespräche. „Die Solarwende in Berlin ist eine Gemeinschaftsaufgabe“, sagt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. Sie freue sich über „diese Fortschritte mit den Bezirken sehr“.

Die Stadtwerke-Chefin Kerstin Busch, erst seit April im Amt, hat vorher bei der Berliner Energieagentur und einem Solar-Projektentwickler gearbeitet und will die vertragliche Zusammenarbeit mit Bezirken und öffentlichen Unternehmen zum Ausbau der Photovoltaik beschleunigen. Sie wirbt für diese Projekte. Sie dienten nicht nur dem Klimaschutz, sondern seien „gleichermaßen effizient“. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dies sehr bescheidene Anfänge sind.

Erneuerbare Energien in Berlin sind ausbaufähig

Bisher umfasst das Portfolio der kommunalen Stadtwerke für erneuerbare Energie lediglich 28 Megawatt, ein Viertel davon ist Solarstrom, der Rest kommt von ein paar Windrädern in Brandenburg. Zum Vergleich: Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums erzeugten Ende 2018 bundesweit 1,6 Millionen Solaranlagen eine Gesamtleistung von 45 Gigawatt. Die Windenergie lieferte in Deutschland am Jahresende weitere 52 Gigawatt.

Immerhin planen die Berliner Stadtwerke in den nächsten Jahren größere Kooperationen mit dem öffentlichen Immobilienunternehmen Berlinovo und der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM), auch bei der Entwicklung eines modernen Niedrigtemperaturnetzes für das geplante Stadtquartier am künftigen Wissenschaftsstandort Tegel mischt das kommunale Kleinunternehmen mit.

Dies alles wird nichts daran ändern, dass die 2014 auf Beschluss des Abgeordnetenhauses gegründeten Stadtwerke auf absehbare Zeit ein regionaler Mini-Player auf dem Markt der erneuerbaren Energien bleiben und trotz erheblicher Investitionen des Landes Berlin zur Klimawende bisher wenig beitragen. Die Antwort der Wirtschaftsverwaltung des Senats auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Florian Graf, die dem Tagesspiegel vorliegt, bestätigt dies.

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Demnach haben die Stadtwerke in den vergangenen fünf Jahren, also seit ihrer Gründung, lediglich 30,5 Millionen Euro investiert. Der Umsatz lag von Anfang 2017 bis Mai dieses Jahres bei 8,9 Millionen Euro, eingeplant war für diesen Zeitraum ein Umsatz von 14,4 Millionen Euro. Die Zahl der Stromkunden, schließlich handelt es sich um einen Energieversorger, lag Anfang Juli bei 12.308.

Berliner Stadtwerke tragen bisher wenig zur Klimawende bei

Bis Ende 2021 will das Unternehmen „trotz anspruchsvoller Marktbedingungen“ einen Kundenstamm von knapp 36.000 aufbauen. Die Stadtwerke beschäftigen, einschließlich der beiden Tochterunternehmen „Energiepartner“ und „Kommunalpartner GmbH“, zurzeit 28 Mitarbeiter. Man rechne in Zukunft mit mehr Arbeitskräften. „Die Personalentwicklung folgt der Geschäftsentwicklung.“

Ohne den starken Rückhalt der Berliner Wasserbetriebe, unter deren Dach die Stadtwerke arbeiten, hätten die Stadtwerke am Markt wohl gar keine Chance. Zumal der Auftrag des Unternehmens, ausschließlich selbst produzierte erneuerbare Energien am Markt zu vertreiben, sehr eng gefasst ist. Als Stromhändler dürfen die Stadtwerke nicht auftreten, das hatte schon die rot-schwarze Koalition in Berlin 2014 so festgelegt.

Politisch kontrolliert wird das Unternehmen von einem 15-köpfigen Beirat, in dem alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses vertreten sind. Im landeseigenen Investitionsfonds Siwana stehen für die Stadtwerke insgesamt 100 Millionen Euro als Eigenkapital bereit, davon sind bisher allerdings erst 33,8 Millionen Euro in das Unternehmen abgeflossen.

Stadtwerke-Geschäftsführerin: „Wir sind der Motor der Energiewende“

Für den CDU-Wirtschaftspolitiker Graf ist das Fazit klar: „Die Stadtwerke bleiben ein unwirtschaftliches Unterfangen, das die Energiewende nicht wirklich voranbringt“. Am Ende blieben nur hohe Kosten und Risiken für die Berliner Steuerzahler, sagte er dem Tagesspiegel. Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün hört sich das ganz anders an. SPD, Linke und Grüne versprachen nach der Wahl im Herbst 2016, den kleinen kommunalen Energieversorger zu einem „kraftvollen Akteur für die Energiewende und den Klimaschutz“ zu machen.

Ähnlich selbstbewusst formuliert Stadtwerke-Geschäftsführerin Busch den eigenen Anspruch: „Wir sind der Motor für die Energiewende in Berlin, rund 10 Prozent der aktuell installierten Solarleistung der Stadt stammt von uns“, sagt sie. Die Berliner Stadtwerke verstünden sich als regionaler Partner für Landesunternehmen, Bezirke und Privatkunden und investierten „kontinuierlich, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu steigern."

Noch hat das landeseigene Kleinunternehmen einen langen, steinigen Weg vor sich. In diesem Jahr wollen die Stadtwerke durch ihr Engagement 30.000 Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht in Deutschland gerade einmal dem Jahresverbrauch von 3700 Menschen. In Berlin werden die vom Senat großzügig geförderten Stadtwerke als Stromanbieter sogar von der kleinen Genossenschaft BürgerEnergie übertrumpft, die gemeinsam mit den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) grünen Strom anbieten. Rund 20.000 Kunden habe man in Berlin, bestätigte eine Sprecherin der EWS.

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