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Öffentliche Müllentsorgung. Ein Ex-Weihnachtsbaum am Straßenrand in Charlottenburg.

© imago images/Stefan Zeitz

Öffentliche Verwahrlosung in Berlin: Mehr Personal für das Ordnungsamt!

Der öffentliche Raum in Berlin dient manchen als Mülldeponie. Andere Städte zeigen, wie sich das Problem lösen ließe – wenn man es nur wollte. Ein Kommentar.

Weihnachtsbäume, von Winterwinden durch die Straßen getrieben, mögen naive Gemüter an das zurückliegende Fest der Liebe erinnern. Wer diese Stadt zu lesen weiß, sieht in den verwehten Nadelhölzern etwas anderes: Zeichen dafür, dass man es hier mit der Ordnung nicht genau nimmt.

„Man“ in doppelter Bedeutung: Es gilt für jene Bewohner, die das, was sie nicht mehr brauchen, aus ihrer Behausung entsorgen. Jemand wird sich schon kümmern. „Man“ gilt auch für die Behörden und Dienstleister, die die Ordnung in der Stadt aufrechterhalten sollen.

Das Gefüge funktioniert nicht gut - verwehte Weihnachtsbäume beweisen das. Die Stadtreinigung hat vor Wochen angekündigt, man werde zu feststehenden Terminen die Bäume einsammeln. Doch eine Menge von ihnen sind der Sammelaktion entgangen, weil manchem Bewohner dieser Stadt der Abholtermin zu früh oder zu spät kam und ihm das öffentliche Straßenland völlig gleichgültig ist.

So ist es mit vielem. Leuten schaffen hässliche Sessel die Treppen herunter, stellen sie ein paar Häuser weiter ab und haben ihr Problem gelöst. Leute lassen ihr Auto, TÜV abgelaufen, in einer Parklücke stehen. Ein Aufkleber mahnt den „Halter“ von Amts wegen, sich zu kümmern. Dann passiert über viele Monate nichts. Leute renovieren ihr Badezimmer; zerschlagene Kacheln und ein Klo werden nachts in einer Nebenstraße abgeladen. Leute parken auf Radwegen.

Die vom Ordnungsamt überlassen den Ärger der Polizei. Die hat Wichtigeres zu tun. Beim ruhenden Verkehr gibt es eine „Parallelzuständigkeit“ - besser Parallel-Unzuständigkeit. Wenn Bürger Anzeige erstatten, kümmert sich, wie gerade erst zu lesen war, von Amts wegen erst recht niemand.

Ein ruppiger Polizeichef hat New York wieder proper gemacht

Berliner Straßen belegen die These der „Broken-Windows-Theorie“: Wo Müll ist, wird mehr Müll. Mit der Umsetzung der Theorie hat ein ruppiger New Yorker Polizeichef seine Stadt wieder proper gemacht.

In Berlin schuf der Senat 2004 die Ordnungsämter, damit Ordnung werde. Viel hat sich nicht geändert. Wo einem gleichgültig ist, wie seine Stadt aussieht, benehmen sich bald viele ebenso. Andererseits: Der Umgang mit Hundescheiße, vor zehn, fünfzehn Jahren noch ein Dauerärgernis, hat sich geändert; Leute mit Hunden haben gelernt, womöglich auf ordnungsbehördlichen Druck hin.

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Es wäre unfair, den Ordnungsämtern vorzuhalten, dass sich sonst so wenig ändert am tristen Zustand von Straßen und Parks. Die tun zumeist, was sie können. Überdies werden sie ständig für Spezial-Einsätze rekrutiert: gegen Leute, die den Tiergarten für ein Grillparadies halten - Entsorgung von Tierkadavern inbegriffen. Gegen Leute, die meinen, Corona-Regeln gelten bloß für alle anderen. Gegen Leute, die meinen, in ihrer Schischa-Bar oder ihrem Kiez gelten nur Regeln, die ihnen das Leben leicht machten.

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Weil sich in Berlin eine Mentalität des „Ich-darf-das!“ etabliert hat, sind die Ordnungsämter überfordert. Dabei wäre die des öffentlichen Raums relativ leicht aufzuhalten - auf die harte Tour: Finanzämter haben so viele Sachbearbeiter und Fahnder, dass deren Bezahlung mehrfach gedeckt ist durch die Steuern, die sie eintreiben.

Hätten die Ordnungsämter so viele Leute, dass Ordnungswidrigkeiten aller Art sicher Geld kosten - die Stadt sähe bald anders aus.

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