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Eingerüstet. Die Passage in der Joachimstaler Straße nahe dem Bahnhof Zoo vor der Neueröffnung des jetzigen Einkaufszentrums.

© Cay Dobberke

Update

Neues aus der City West: Ramsch statt Schmuddel

Früher war hier das Beate-Uhse-Museum, heute werden am Zoo Billigklamotten geshoppt: In der Joachimsthaler Straße hat das neue Einkaufszentrum "Zoom" eröffnet.

Einst Rotlicht, heute Blaulicht: Türkisfarbene Neonröhren empfangen die Wartenden am Donnerstagmorgen, die der Eröffnung von Berlins dritter "Primark"-Filiale am Bahnhof Zoo harren. Doch so viele wie erwartet sind es nicht: Kurz vor Öffnung warten gerade einmal 230 Leute in der Schlange, und es stellt sich die Frage: Warum überhaupt?

Schließlich wird der Textilriese aller Erfahrung nach nicht wegrennen, auch gibt es an diesem Eröffnungsmorgen nichts umsonst bis auf Gummibärchen und Jutebeutel mit Billig-Goodies wie Raumduft und Coffee-To-Go-Becher. Und auch keine Rabatte. „Ist ja alles schon so günstig“, sagt eine Sprecherin. Warum, Frage an einen Teenie, sie sich also hier um halb neun als Erste angestellt habe? Ganz einfach: „Ich bin dann halt die Erste.“

Wenig Andrang: Die meisten Absperrpfosten neben der neuen Primark-Filiale blieben zur Eröffnung am Donnerstag ungenutzt.
Wenig Andrang: Die meisten Absperrpfosten neben der neuen Primark-Filiale blieben zur Eröffnung am Donnerstag ungenutzt.

© Constanze Nauhaus

Wo Shoppingwütige heute mit offener Begeisterung in der Schlange stehen, drückte man sich vor fünf Jahren noch heimlich durch die Tür des Beate-Uhse-Erotikmuseums. Auch wenn sich über die Erotik des Ortes streiten lässt: Zwischen Asia-Imbiss, Wechselstube, Burger King und Leihhaus erfreute das Museum mit Sex-Shop im Erdgeschoss dort, in der Schmuddelpassage an der Joachimsthaler Straße, fast zwei Jahrzehnte lang abenteuerlustige – oder frustrierte – Touristen und Berliner.

Für "Ramsch" ist noch niemand nach Berlin gekommen. Bei "Schmuddel" ist das was anderes - und zwar seit über 100 Jahren schon.

schreibt NutzerIn purist

Doch der museumgewordene Lebenstraum der 2001 verstorbenen Beate Uhse musste 2014 den Neubauplänen des US-Investors Hines weichen - derselbe, der das 150-Meter-Hochhaus am Alex plant. Hines riss die Schmuddelpassage zwischen Kant-, Joachimstaler und Hardenbergstraße ab und stritt sich mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ein wenig über den geplanten Neubau: Die Entwürfe von fünf Architektenbüros überschritten mit bis zu 12 vorgesehenen Etagen alle die Berliner Traufhöhe von 22 Metern.

Riss schon das Erotik-Fast-Food-Paradies keinen Stadtplaner vom Drehstuhl, kann auch das fertige "Zoom" nicht unbedingt als architektonisches Weltwunder bezeichnet werden. „Es ist kein Entwurf, bei dem man jubelnd hochspringt“, "der Kick fehlt", befanden Bezirkspolitiker parteiübergreifend bereits vor Baubeginn. Aber: Hines wollte schnell bauen, und für die höheren, spektakuläreren Entwürfe wäre ein zwei- bis dreijähriges Bebauungsplanverfahren notwendig gewesen.

Nun also "eine lebendige Fassade mit dynamischen Rücksprüngen", wie der Investor es nennt, auf deutsch: nüchterne sechs Etagen beiger Stein und Glas. Und unten drei Etagen Billigklamotten. Primark steht häufig in der Kritik wegen der Produktionsbedingungen in Ländern wie Bangladesch., bei der Eröffnung der Filiale am Alexanderplatz vor vier Jahren gab es noch Protestaktionen von Aktivisten. Tumulte bleiben heute allerdings aus. Die Schmuddelatmosphöre aus Beate-Uhse-Zeiten angesichts der "T-Shirt: 2,50 Euro"-Aufsteller aber irgendwie erhalten.

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