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Nicht bloß auf nasser Straße sind E-Tretroller eine Gefahr.

© Christoph Soeder/dpa

Update

Nach zwei schweren Unfällen: Verkehrsverwaltung erwägt strengere Regeln für E-Scooter

Am Donnerstag sind zwei Frauen mit E-Rollern verunfallt. Der Berliner Senat will nun Auflagen prüfen, etwa eine Helmpflicht oder eine Begrenzung der Fahrgebiete.

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Eine 26-jährige Rollerfahrerin prallte um die Mittagszeit gegen die rechte Seite eines LKW-Sattelaufliegers, stürzte und zog sich einen offenen Unterschenkel-Bruch zu. Gegen 18 Uhr stieß eine 33-jährige Scooter-Fahrerin gegen ein geparktes Auto, stürzte und wurde von einem Kleintransporter überrollt. Die Frau kam ebenfalls schwer verletzt mit Knochenbrüchen ins Krankenhaus. Diese Unfälle ereigneten sich noch nicht einmal zwei Wochen nach dem Start der elektrischen Tretroller, die acht Anbieter in Berlin vermieten.

Die Verkehrsverwaltung beobachtet die Situation genau, wie die Elektroroller sich im Straßenverkehr bewähren. Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese sagte dem Tagesspiegel, es gebe in Deutschland „von Anfang an strenge Regeln für E-Tretroller, zum Beispiel das von Berlin und anderen Bundesländern durchgesetzte Gehwegverbot in der Bundesverordnung“.

Dennoch sei die Nutzung dieses neuen Verkehrsmittels auch mit Gefahren verbunden. „Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Unfälle werden wir gemeinsam mit der Polizei die Lage analysieren, um zu beurteilen, ob die Bundesverordnung für diese Fahrzeuge verschärft werden muss, um mehr Sicherheit zu erreichen“, so Streese.

Gegebenenfalls müsse über weitere Auflagen nachgedacht werden, sagte Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrsverwaltung. Das können theoretisch Obergrenzen für Roller in Berlin sein, eine Begrenzung der Fahrten auf bestimmte Gebiete oder auch eine erneute Diskussion um eine Helmpflicht. Denn das Land Bremen sprach sich im Vorfeld der gesetzlichen Vorgaben im Bundesrat auch für eine Helmpflicht aus. Auch die Berliner CDU forderte bereits eine Helmpflicht für die Fahrer von E-Scootern. Und Unfallchirurgen warnten bereits vor einem deutlich erhöhten Verletzungsrisiko.

Elektro-Stehroller sind auf 20 km/h

Dass die Roller „instabile Fahrzeuge“ und die Fahrer sehr ungeschützt seien, sei zwar klar, sagte Thomsen. Aber auf Druck der Länder wurden die Verordnungen limitiert. Thomsen sagte, die Roller hätten hohe technische Standards und bräuchten eine Versicherungsplakette. Tatsächlich benötigen E-Roller eine allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder Einzelbetriebserlaubnis (EBE). Nur damit und dem aufgeklebten Kennzeichen eines Kfz–Versicherers dürfen die Roller auf den Straßen unterwegs sein. Und in Deutschland sind nur Scooter mit zwei voneinander unabhängigen Bremsen erlaubt, das „Standardmodell“ aus China für den europäischen Markt hat nur eine.

Die Elektro-Stehroller sind auf 20 km/h begrenzt und dürfen von Fahrern ab einem Alter von 14 Jahren auf Radwegen gefahren werden. Fußwege sind zum Schutz der Fußgänger tabu. Das bedeutet in Berlin allerdings häufig, auf die Fahrbahn ausweichen zu müssen. Denn das Netz der Radverkehrsanlagen in der Hauptstadt ist laut Radverkehrsstrategie zwar über 1000 Kilometer lang, das Straßennetz - und damit die potenziell zurückgelegten Strecken - misst aber 6500 Kilometer, davon 1500 Kilometer Hauptverkehrsstraßen.

Wer mit dem E-Roller auf Fußgängerwegen fährt, muss mit einem Bußgeld von 15 Euro rechnen. Wird jemand gefährdet, kostet es 25 Euro, bei einer Sachbeschädigung 30 Euro. Und wer auf dem Radweg mit dem E-Roller nebeneinander fährt, muss 15 Euro Buße zahlen.

Durch Parks dürfen die Roller nur geschoben werden

In Berlin gibt es inzwischen acht Anbieter für Roller. Die Verkehrsverwaltung hatte diese Unternehmen vor dem Stichtag für die Zulassung am 15. Juni eingeladen und sie auf spezielle Verordnungen hingewiesen. Maximal vier Roller dürfen auf einer Stelle angeboten werden, sie dürfen nicht vor Einfahrten oder U-Bahn-Eingängen parken und Fußgänger auf Gehwegen nicht behindern. Durch Parkanlagen dürfen die Roller nur geschoben werden. Defekte Geräte müssen innerhalb von 24 Stunden beseitigt werden. Und die Anbieter sind gehalten, jederzeit für die Senatsverwaltung erreichbar zu sein.

Die Zahl der E-Tretroller ist in Berlin nicht begrenzt. Und wie viele E-Roller inzwischen in Berlin zur Miete angeboten werden, ist nicht bekannt. Die Verleiher seien nicht verpflichtet, die Zahl der Roller anzugeben, da dies unter das Betriebsgeheimnis falle, so Thomsen. Die Verkehrsverwaltung schätzt, dass inzwischen „mehrere tausend“ Roller vorwiegend durch Mitte und die Innenstadtbezirke fahren.

Kritiker befürchten in der Innenstadt einen „Wildwuchs“ wie bei den Leihfahrrädern. Roland Stimpel, Sprecher von FUSS e.V., eine Interessenvertretung von Fußgängern in Deutschland, forderte Senat, Bezirksämter und Polizei auf, erst einmal die bestehenden Regeln durchzusetzen statt über strengere Vorschriften nachzudenken. Zwei Wochen nach dem Start seien Verstöße „alltäglich“, so Stimpel. E-Rollerfahrer würden im Höchsttempo über die Gehwege „rüpeln, gern auch zu zweit auf einem Gerät“. Das Fahrverbot in Parks wie beispielsweise im Tiergarten werde ignoriert. Und genau so wie Leihräder würden die E-Roller „rücksichtslos kreuz und quer über die Gehwege gestellt. All das ist verboten, aber kein Amt kümmert sich darum“.

Hat Berlin ein „Roller-Trittbrett vor dem Kopf“?

Berlin solle von Städten wie Paris, Wien, Zürich oder Barcelona lernen, die konsequent gegen Roller-Rüpel durchgreifen würden. Aber offenbar habe Berlin ein „Roller-Trittbrett vor dem Kopf“.

Der Interessenverband fordert die Polizei und die Berliner Ordnungsämter auf, auf E-Roller fahrende Gehweg-Rüpel zu achten, diese zu stoppen, sie zur Kasse zu bitten und die angefangene Fahrt zu beenden. Außerdem seien wild über Gehwege verstreute Roller zusammen mit Leihrädern eine Gefahr und Behinderung vor allem für Senioren und Behinderte. Diese Fahrzeuge gehörten von den Behörden eingesammelt und „nur gegen Gebühr“ den Verleihern zurückzugeben. Die Anbieter sollten ihre Fahrzeuge auch generell nur auf genehmigten Flächen und nur gegen Gebühr abstellen dürfen. Das sei Sache des Bundesgesetzgebers.

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