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Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey 
bei der Pressekonferenz zum 2. Gipfel gegen Jugendgewalt im Berliner Roten Rathaus

© DAVIDS/DAVIDS

Nach Silvester-Krawallen in Berlin: Senat gibt 90 Millionen Euro für Jugendliche in armen Kiezen aus

Franziska Giffey (SPD) stellte nach dem zweiten Gipfel gegen Jugendgewalt ein umfassendes Programm vor. Hunderte Sozialarbeiter und sieben Staatsanwälte werden finanziert.

Berlin wird in den nächsten zwei Jahren 90 Millionen Euro für den Einsatz gegen Jugendgewalt ausgeben. Das ist eine Folge der Krawalle in der Silvesternacht und das Ergebnis des zweiten Gipfels gegen Jugendgewalt, der am Mittwoch im Roten Rathaus stattfand. Unter anderem sollen damit 60 neue Stellen in der Jugendsozialarbeit in Schulen in armen Kiezen geschaffen werden, 15 neue Stadtteilmütter sollen die berlinweit anerkannte Arbeit der Organisation ausbauen. Allein 15 Millionen Euro fließen in die Modernisierung von Jugendzentren. Fünf Millionen Euro stehen für Gewaltprävention in Jugendämtern bereit.

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte nach dem Gipfel: „Silvester war eine Zäsur und wir können das nicht so laufen zu lassen. Die Zeit drängt wirklich.“ Es dürfe deshalb trotz der laufenden Sondierungsverhandlungen nach der Wiederholungswahl kein Zögern geben. Giffey will vor allem vorhandene Projekte mit mehr Geld und Personal ausstatten. „Projektitis bringt gar nichts“, sagte die SPD-Politikerin. „Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir vorhandene Strukturen stärken.“ Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) ergänzte: „Wir müssen nicht alles neu erfinden.“

Vorausgegangen war dem 29 Punkte umfassenden Maßnahmenplan ein wochenlanger Beteiligungsprozess mit freien Trägern, Jugendbildungsstätten, Experten von der Bildungsverwaltung und aus den Bezirken und auch mit Berliner Jugendlichen. Dieser Prozess hatte beim ersten Gipfel gegen Jugendgewalt am 11. Januar begonnen. Im Oktober ist ein drittes Treffen geplant, um eine erste Evaluation der Maßnahmen vorzunehmen und sich auf die nächste Silvesternacht vorzubereiten. „Über Silvester darf nicht erst im Dezember wieder gesprochen werden“, forderte Giffey. Man müsse an diesem Abend Angebote für Jugendliche schaffen und etwa Jugendeinrichtungen öffnen, schlug sie vor.

Neue Studie soll über Gewalterfahrungen von Jugendlichen aufklären

Aufgeteilt werden die Maßnahmen auf vier Gebiete: Erstens die Elternarbeit und Schulsozialarbeit. Hier sollen vor allem in armen Kiezen deutlich mehr Sozialarbeiter und Psychologen in Schulen und Kitas arbeiten. Lehrer können sich zu „Respekt-Coaches“ weiterbilden lassen. Die Feuerwehr wird an Oberschulen Seminare für Jugendliche anbieten, um den Respekt vor Einsatzkräften zu stärken. Zu Silvester waren Einsatzkräfte in Hinterhalte gelockt wurden. Auch die Arbeit mit Vätern soll intensiviert werden.

Ebenfalls investiert wird in die Jugendsozialarbeit außerhalb von Bildungseinrichtungen. Neben der Gewaltprävention gibt es 2,4 Millionen Euro mehr für klassische Streetworker und 4,5 Millionen Euro für den Übergang von der Schule durch die Jugendberufsagenturen. Zudem sollen Jugendliche bei der Wohnungssuche stärker unterstützt werden. Dafür soll eine „Jugendwohnagentur“ konzipiert werden. „Viele junge Leute wissen gar nicht, wo sie suchen müssen, wenn sie auf den Portalen nichts finden“, sagte Giffey.

10.000
Kinder und Jugendliche sind im Blick der Polizei

Eine dritte Säule besteht aus massiven Investitionen in Treffpunkte von Jugendlichen. Für die Renovierung und den Ausbau von Jugendtreffs und Familienzentren stehen 15 Millionen Euro bereit. An 16 weiteren Grundschulen sollen Familienzentren entstehen. Angebote wie Mitternachtsportturniere und längere Öffnungszeiten von Jugendclubs sollen Jugendliche besser beschäftigen. Außerdem soll eine Studie über Gewalterfahrungen junger Menschen finanziert werden. „Die letzte Untersuchung dazu ist aus einer Zeit, in der es noch kein Tiktok gab“, sagte Giffey.

Und nicht vergessen werden darf auch der Bildungsbereich. Freizeitangebote sind wichtig, aber noch wichtiger sind Erfolgserlebnisse für die Jugendlichen auf schulischer und beruflicher Ebene.

Schreibt Community-Mitglied dinsdale

Die vierte Säule bilden repressive Maßnahmen. Das sogenannte Neuköllner Modell bei Jugendkriminalität soll zum Berliner Modell werden. Zwei Millionen Euro werden in eine bessere Vernetzung von Polizei und Jugendhilfe investiert. Die Jugendämter sollen mobile Interventionsteam aufbauen, die betroffene Familien aufsuchen. Sieben neue Staatsanwälte in den Jugendabteilungen der Staatsanwaltschaft sollen dafür sorgen, dass Strafverfahren schneller abgeschlossen werden und Intensivtäter besser betreut werden können.

10.000 Kinder und Jugendliche in Berlin sind bereits mit Straftaten aufgefallen. Die Täter würden laut Polizei immer jünger, wie Giffey sagte. Außerdem gebe es gegenüber der Zeit vor der Pandemie einen Anstieg in der Jugendgewalt um zehn Prozent. Vor allem Messerangriffe und Raub hätten zugenommen. „Wir müssen uns besser um diese 10.000 Kinder kümmern“, forderte Giffey. Die Maßnahmen werden durch Umschichtungen im Landeshaushalt und erwartete Steuermehreinnahmen bezahlt. Der Senat soll das Paket noch im März beschließen.

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