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Mitglieder nicht mehr willkommen. Die AfD setzt künftig auf Delegierte.

© imago/Christian Mang

Nach Raumsuche für Landesvorstandswahl: Berliner AfD verabschiedet sich von Basisdemokratie

Bislang galt: Lädt die Berliner AfD zum Parteitag, darf jedes Mitglied kommen. Damit ist jetzt Schluss. Gegen die Entscheidung regt sich Widerstand.

Die Berliner AfD verzichtet auf ihr Alleinstellungsmerkmal und richtet ihren nächsten Landesparteitag – genau wie alle anderen im Abgeordnetenhaus vertreteten Parteien – nach dem Delegiertenprinzip aus. Darüber informierte Nicolaus Fest, seit Ende Januar Notvorsitzender des Landesverbands, die rund 1500 Mitglieder in einem Rundschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt.

„Unter den jetzt geltenden Abstands- und Hygiene-Bedingungen fasst der Versammlungsraum rund 320 Personen. Daher muss der Landesparteitag als Delegiertenparteitag stattfinden“, erklärt Fest darin. Er begründet die Abkehr vom Mitgliederprinzip unter anderem damit, dass „andere Lokalitäten, die einen Mitgliederparteitag ermöglichen“ entweder nicht vorhanden, rechtlich unsicher oder „finanziell jenseits des Vertretbaren“ seien.

Erstmals hatte Fest im März erklärt, dass eine Abkehr vom Mitgliederprinzip denkbar sei und die Bezirksverbände dazu aufgerufen, vorsichtshalber Delegierte zu wählen. Wenige Wochen später erreichte die Corona-Pandemie Deutschland und sowohl die Wahl von Delegierten als auch die Ausrichtung eines Landesparteitags war vom Tisch.

Immerhin: Die Organisation eines Landesparteitags, zuletzt wegen fehlender Räumlichkeiten oder kurzfristig geplatzter Mietverträge gleich mehrfach gescheitert, scheint dem eigens dazu eingesetzten Notvorstand mittlerweile geglückt. In dem Schreiben bittet Fest seine Leser darum, sich die Sonntage am 25. Oktober sowie am 8. November 2020 „vorzumerken“.

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Dass für den einzigen wirklichen Tagesordnungspunkt der Versammlung, die Neuwahl des Landesvorstands, gleich zwei Tage anberaumt werden deutet darauf hin, dass der Notvorstand mit einem umkämpften und dementsprechend langwierigen Verfahren rechnet.

Basismitglieder warnen vor dem "Polit-Kartell"

Allerdings sorgt die Abkehr vom Mitgliederprinzip bei der Basis der AfD für Kritik. Dort wird sich stark mit der Abgrenzung zu anderen – im AfD-Duktus „etablierten“ – Parteien identifiziert. Die Partei verrate ihre Werte und werde immer mehr zum Teil des „Polit-Kartells“, sagen einige. Selbst Unterschriften für die Beibehaltung des Mitgliederprinzips werden gesammelt, die Frage beschäftigt mittlerweile sogar Gerichte.

Weniger ist mehr. Nicolaus Fest nennt Abstandsregeln als Grund.
Weniger ist mehr. Nicolaus Fest nennt Abstandsregeln als Grund.

© Kay Nietfeld/dpa

Klar ist: Die Vorbereitungen für den von maximal 320 Delegierten besuchten Landesparteitag sind längst angelaufen. In den Bezirken Mitte, Tempelhof-Schöneberg sowie Friedrichshain-Kreuzberg fanden bereits Wahlversammlungen statt. Charlottenburg-Wilmersdorf sowie der einer Delegiertenwahl zunächst skeptisch gegenüberstehende Bezirk Steglitz-Zehlendorf werden wohl folgen, genau wie die anderen. Bis spätestens 4. Oktober müssen alle Delegierten gewählt sein. Dann müssen deren Namen und Adressen dem Landesvorstand durch die Bezirke mitgeteilt werden. So steht es in der Satzung der Landespartei, die dem amtierenden Vorstand den Wechsel hin zum Delegiertenprinzip ausdrücklich freistellt.

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Die intern umstrittene Entscheidung wiederum trifft die Partei zu einem denkbar ungünstigem Zeitpunkt. Vor allem die Abgeordnetenhausfraktion gab zuletzt aufgrund interner Querelen ein desolates Bild ab. Verwerfungen zwischen einzelnen Abgeordneten bis hin zu Spaltungsdrohungen wurden öffentlich, vom unwürdigen Umgang mit Angestellten sowie zweifelhaftem Finanzgebahren ist die Rede.

Zuletzt kam es aufgrund dessen sogar zu einer Umbildung des Fraktionsvorstandes: AfD-Finanzexpertin und Pazderski-Kontrahentin Kristin Brinker gab ihren Posten als Ko-Vorsitzende auf, nachdem ihr vorgeworfen worden war, ein Gutachten zu den Fraktionsfinanzen selbst manipuliert oder zumindest davon gewusst zu haben. Auf sie folgte Marc Vallendar.

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