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© imago/Le Pictorium/Simon Becker / Le Pictorium

Nach drei Jahren Pause: Der Karneval der Kulturen tanzt wieder durch Kreuzberg – mit neuen Problemen

Perkussion, Samba, Dancehall: Am Sonntag zieht der Karneval wieder durch Berlins Straßen. Doch die Zukunft des Festivals sieht nicht rosig aus.

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Am langen Pfingstwochenende gibt es in Kreuzberg Grund zum Feiern: Der Karneval der Kulturen mit dem Blücherfest und dem bunten Straßenumzug kehrt nach dreijähriger Pandemie-Pause wieder auf die Straße zurück. Allerdings steht das traditionsreiche Festival vor finanziellen Herausforderungen – und viele internationale Künstler:innen aus Berlin erhoffen sich mehr Unterstützung.

Der Umzug wird kürzer

Trotzdem soll die 25. Jubiläumsausgabe „kein kurzes Aufleuchten einer Tradition sein“, sagte Geraldine Hepp vom Karneval-Leitungsteam in den Räumen von „Afrika Yetu“. Der Verein mit Sitz auf dem Kindl-Areal in Neukölln ist jahrelang mit der Tanzgruppe „Danca de Coraçao“ Teil des Straßenumzugs. Wegen gestiegener Produktions- und Sicherheitskosten sei der Straßenumzug am Pfingstsonntag – Herzstück des Karnevals mit Musik, Tanz und Akrobatik – diesmal kürzer als gewohnt.

Route, Straßenfest und Sperrungen zum Karneval der Kulturen.
Route, Straßenfest und Sperrungen zum Karneval der Kulturen.

© Grafik: Tsp/Infografik | Quelle: Veranstalter

Er startet nicht an der Yorckstraße, sondern an der Ecke Gneisenaustraße / Zossener Straße und endet am Hermannplatz. Es machen auch weniger Gruppen mit: Statt rund 80 werden nur 48, insgesamt etwa 2500 Akteur:innen, am Umzug teilnehmen. Das Programm bleibt jedoch vielfältig: von „indischer Perkussion“ über Samba-Bands bis hin zu Dancehall und Reggae.

Das viertägige Straßenfest rund um die Blücherstraße bleibt mit drei Hauptbühnen aber so groß wie gewohnt. Auch der Kinderkarneval steht am Sonnabend mit einem Kostümumzug und Kinderfest im Görlitzer Park auf der Agenda.

Doch die Veranstaltung ist laut Geraldine Hepp nicht nur eine riesige Party, sondern ist für die künstlerischen Gruppen ein wichtiges Netzwerk und ein „Miteinander im öffentlichen Raum". Der Karneval setze sich „für eine faire, freie, nachhaltige und pluralistische Gesellschaft ein“. Gegründet wurde das Fest in den 90er Jahren als Reaktion auf rassistische Übergriffe.

Der Karneval der Kulturen mit dem Blücherfest und dem bunten Straßenumzug kehrt nach dreijähriger Pandemie-Pause wieder auf die Straße zurück. 
Der Karneval der Kulturen mit dem Blücherfest und dem bunten Straßenumzug kehrt nach dreijähriger Pandemie-Pause wieder auf die Straße zurück. 

© imago images / Christian Spicker / Christian Spicker

Auch Joe Chialo (CDU) pflichtete dieser Bedeutung bei: „Der Karneval ermutigt, die Vielfalt unserer Stadt zu feiern, Vorurteile abzubauen und ein Raum für gegenseitige Wertschätzung zu sein.“ Der neue Kultursenator lobte auch das soziale Engagement rund um die Veranstaltung – „in Zeiten, in denen die Gesellschaft auseinander driftet, wird mit dieser Veranstaltung eine Brücke gebaut“, sagte er.

Engagement hat allerdings auch Grenzen. Dada Marcelino de Rocha vom ehrenamtlichen Karneval-Beirat kritisierte, dass mehr darüber gesprochen werden müsse, dass die Künstler:innen nichts verdienen und mehr Unterstützung benötigten: „Viele Gruppen haben schon aufgegeben, irgendwann ist die Kerze aus.“ Auch fehlende Proberäume seien ein Problem. „Unter diesen Bedingungen kann ich es nicht mehr machen“, sagte auch die Choreografin Sonia de Oliveira von der Samba-Schule „Amasonia“.

„Wenn das Netzwerk weiterhin aufleuchten soll“, wie Hepp sagt, müsse also in Sachen Künstlerförderung etwas passieren. Den Gruppen stehe lediglich ein „Gruppenfonds“ für Materialien und Transporte von insgesamt 100.000 Euro zur Verfügung – bei so vielen Teilnehmenden allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein.

Das Gesamtbudget der Veranstaltung beträgt laut der Organisatoren etwa zwei Millionen Euro. Eine halbe Million würden über das Straßenfest erwirtschaftet, eine Million aus dem Landeshaushalt zugerechnet sowie über Sponsoren. 2023 bekäme das Fest zudem 300.000 Euro Extramittel vom Senat, die auch in das neue Sicherheitskonzept fließen. Dieses umfasse mehr als 300 Sicherheitskräfte und ein „Awareness-Team“ gegen Rassismus und Diskriminierung.

Karneval der Kulturen künftig ohne Verbrennungsmotoren

Zur Frage, ob und in welcher Höhe der Karneval auch künftig über den Landeshaushalt gefördert würde, konnte Kultursenator Chialo noch keine „seriöse Aussage“ treffen, wie er sagte. Es sei aber sein persönliches Bestreben, dass das Fest weiterhin stattfinden kann. „Mit dem Senat wird der Karneval auch künftig einen starken Partner haben“, kündigte er an. Bislang habe er dies in einer Absichtserklärung bekundet.

Chialo hofft zudem auf künftige Sponsoren aus der freien Wirtschaft. Bereits dieses Jahr wurde die Finanzierung diesbezüglich erweitert. So wird der Karneval 2023 etwa vom Gewerbeflächenvermieter GSG Berlin und einem Mobilfunk-Discounter-Konzern unterstützt.

Die Veranstalter Piranha Arts und das Karnevalteam arbeiten zudem an einer Weiterentwicklung des Konzepts. So wurden 2022 etwa 1000 Bürger:innen zur Zukunft des Karnevals befragt. Das Ergebnis: Das Event soll weiterhin zentral in Kreuzberg stattfinden, die Zahl der Besuchenden – dieses Jahr werden etwa eine Million erwartet – nicht verringert werden.

Weitere Veränderungen gibt es diesmal auch bei der Nachhaltigkeit: Der Karneval soll künftig ganz ohne Verbrennungsmotoren auskommen. 20 Gruppen nutzen noch motorisierte Wagen, 28 haben laut Organisator:innen auf von Hand angeschobene Plattformen oder Lastenräder umgesattelt – oder bewegen sich ohnehin zu Fuß fort. Der Kooperationspartner „fLotte“ stellt den Umzugsgruppen insgesamt 31 Lastenfahrräder kostenfrei zur Verfügung.

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