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Von der Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters AvP sind bundesweit rund 3500 Apotheken betroffen, in Berlin sind es rund 100 in Brandenburg 120.

© imago/Waldmüller

Nach der Insolvenz des Dienstleisters AvP: 220 Apotheken in Berlin und Brandenburg in Finanznot

Der Zusammenbruch eines Apothekendienstleisters in Düsseldorf hat gravierende Auswirkungen auf viele Apotheken in der Hauptstadtregion.

Die Mitte September festgestellte Zahlungsunfähigkeit des Rezaptabrechnungsdienstleisters AvP aus Düsseldorf bringt viele Apotheken in der Hauptstadtregion in akute Geldnot: Allein in Berlin sollen rund 100 Apotheken einen Vertrag mit diesem Unternehmen geschlossen haben, schätzt man beim Berliner Apothekerverein. Die Kollegen in Brandenburg gehen von rund 120 Apotheken aus. In der Landeshauptstadt Potsdam ist "wohl eine einstellige Zahl" betroffen, teilte der Apothekerverband auf eine Anfrage dieser Zeitung mit.

Das Problem: Der vorläufige Insolvenzverwalter musste sämtliche Auszahlungen stoppen. Bundesweit warten daher bis zu 3500 Apotheken auf Erstattung ihrer Medikamentenkosten von Kassenpatienten für den Monat August – einige auch für September. Die Apotheken müssen meist wochenlang für die Krankenkassen in Vorleistung gehen.

AvP hatte für fast jede fünfte Apotheke in Deutschland die Rezepte eingesammelt, um damit bei den Gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen – und das Geld wieder an die Vertragsapotheken auszuschütten. Durch die Insolvenz schuldet dieser Abrechner den Apotheken im Durchschnitt 120.000 Euro, hieß es. In der Summe wären das also rund 420 Millionen.

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Manuela Spann, die seit sechs Jahren gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Andrea Fittkau die „Apotheke am ukb“ in Marzahn betreibt, beziffert ihre Forderungen an AvP ebenfalls auf einen sechsstelligen Betrag. „Sollten wir die von uns erbrachten Leistungen nicht bezahlt bekommen, wäre der Schaden für uns dramatisch. Nur weil wir sehr viel Eigenleistung in die Apotheke einbringen, werden wir diesen Rückschlag überleben“, sagt sie.

Das Firmenschild von AvP hängt vor dem Eingang des Gebäudes in Düsseldorf. Bei dem großen Apotheken-Abrechnungszentrum in Düsseldorf gibt es erhebliche Turbulenzen. Viele Apotheker warten seit Tagen auf bis zu sechs- bis siebenstellige Euro-Beträge.
Das Firmenschild von AvP hängt vor dem Eingang des Gebäudes in Düsseldorf. Bei dem großen Apotheken-Abrechnungszentrum in Düsseldorf gibt es erhebliche Turbulenzen. Viele Apotheker warten seit Tagen auf bis zu sechs- bis siebenstellige Euro-Beträge.

© Marcel Kusch/dpa

Andere Apotheken dürften von der AvP-Insolvenz mitgerissen werden, vermutet Spann. Sie erwarte von der Politik jetzt Antworten auf die Frage, warum die zuständige Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin tatenlos zugesehen habe. „Auch das Abrechnungssystem an sich gehört auf den Prüfstand, schließlich müssen die Apotheken ein Abrechnungszentrum einschalten, um die komplizierten Prozesse für jede einzelne Krankenkasse überhaupt managen zu können.“

Vor allem Apotheken, die viele hochpreisige Präparate ausgeben, hätten nun ein Problem. Spezielle Medikamente zur Behandlung von Krebserkrankungen, das HI- oder Hepatitis-C-Virus, kosten mitunter bis zu 20.000 Euro pro Schachtel. Apotheken dürfen die Versorgung nicht ablehnen und müssen diese Kosten vorfinanzieren. Apotheken mit vielen HIV-infizierten Kunden dürften leicht mehr als eine Million Euro von AvP erwarten.

Manuela Spann (links) führt seit sechs Jahren gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Andrea Fittkau (rechts) die "Apotheke am ukb" in Berlin-Marzahn.
Manuela Spann (links) führt seit sechs Jahren gemeinsam mit ihrer Geschäftspartnerin Andrea Fittkau (rechts) die "Apotheke am ukb" in Berlin-Marzahn.

© Privat

Stefan Schmidt, der Sprecher des Berliner Apothekerverbandes, vermutet, dass die AvP-Insolvenz ein Einzelfall ist und kein strukturelles Problem. Üblicherweise gehen Zahlungen dieser Dienstleister auf Treuhandkonten ein. Bei der AvP angeblich nicht, wie jetzt klar wurde.

„Apotheken in Berlin sind mittelständische Unternehmen denen unverschuldet eine Insolvenz droht“, erklärte Christian Gräff, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU im Abgeordnetenhaus. „Ich fordere den Senat auf hier unmittelbar tätig zu werden. Gerade in dieser Pandemie müssen wir um jedes Unternehmen und erst recht um die kieznahe Apotheken kümmern“.

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