zum Hauptinhalt
Kinder im Unterricht (Symbolbild).

© Patrick Pleul/dpa

Muss die Schule in Berlin so früh beginnen?: In Friedrichshain-Kreuzberg könnte der Unterricht bald später starten

Ein Herz für Morgenmuffel: Die SPD in Friedrichshain-Kreuzberg will Schulen befragen, ob sie lieber später mit dem Unterricht anfangen wollen.

Morgens um acht Uhr ist die Welt noch in Ordnung? Viele Teenager würden dieser Behauptung wohl widersprechen. Nicht wenige von ihnen würden wahrscheinlich lieber noch schlafen oder wenigstens in Ruhe frühstücken, als um diese Zeit schon Matheaufgaben zu lösen, Formeln zu lernen oder Gedichte zu analysieren. Aber die meisten Schulen fangen mit dem Unterricht eben so früh an. Spätestens um acht Uhr geht es meistens los.

Unabänderlich ist dieser frühe Beginn aber nicht. Die SPD-Fraktion in Friedrichshain-Kreuzberg macht jetzt einen Vorstoß und will die Schulen im Bezirk befragen, ob es bei ihnen eine Bereitschaft zu einem späteren Unterrichtsbeginn gibt, der über die bestehenden Regelungen hinausgeht. Ein Antrag der SPD-Fraktion wurde am Mittwochabend von der Bezirksverordnetenversammlung zur Beratung in den Schulausschuss überwiesen.

Wenn Schulen Interesse bekunden, solle das Bezirksamt mit den Schulgremien und der Schulaufsicht ein entsprechendes Modell erarbeiten, teilte die SPD-Fraktion des Bezirks mit. Die Erfahrungen sollen evaluiert werden und dann könne man prüfen, inwiefern sich das Modell auf andere Schulen übertragen lasse.

[290.000 Leute, 1 Newsletter: Den Tagesspiegel-Newsletter für Friedrichshain-Kreuzberg gibt's hier – voller Debatten, Ideen, Tipps und Terminen: leute.tagesspiegel.de]

„Ausgeschlafen lernt es sich einfach besser“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Frank Vollmert. „Deshalb ist es sinnvoll, abseits des Üblichen etwas Neues auszuprobieren.“

Die SPD verweist darauf, dass wissenschaftliche Studien „belegen, dass zum bisher üblichen Schulbeginn um acht Uhr die Leistungsfähigkeit der Schüler*innen oftmals eingeschränkt ist und ein zu frühes Aufstehen nicht dem natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus entspricht.“

Schlafmangel kann sich auf Schulleistungen auswirken

Tatsächlich bestätigen Schlafforscher immer wieder, dass gerade Jugendlichen ein späterer Unterrichtsbeginn gut täte. „Insbesondere für pubertierende Teenies finden die Schulstunden frühmorgens zu deren biologischer Nachtzeit statt“, schreibt beispielsweise Hans Günter Weeß, Schlafforscher und Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster, in einem Essay im Tagesspiegel. Der Schlafmangel habe Konsequenzen – Schulleistungen fallen dadurch schlechter aus. „Es ist erwiesen, dass Klausuren bei einem um eine Stunde nach hinten verschobenen Schulbeginn deutlich besser ausfallen würden“, so Weeß.

In Berlin können die Schulen selbst festlegen, wann sie anfangen. Im Schulgesetz steht, dass die Schulkonferenz über den täglichen Unterrichtsbeginn entscheidet. Die Schulkonferenz ist das höchste Beschlussgremium der Schule. Zu ihr gehören Elternsprecher, Lehrer, Schüler, der Schulleiter und eine nicht zur Schule gehörende Person. Über den Unterrichtsbeginn kann das Gremium mit einfacher Mehrheit entscheiden.

Die meisten Schulen fangen um 7.45 Uhr oder um 8 Uhr an, einige auch früher. Gerade durch die Einführung des kostenlosen Mittagessens sahen sich in diesem Schuljahr einige Grundschulen gezwungen, den Unterrichtsbeginn auf 7.30 Uhr zu legen, um mittags genug Zeit zu haben, um alle zu verköstigen.

Manche Schulen beginnen bereits später

Einige Schulen haben sich aber auch für einen späteren Beginn entschieden. Die Kreuzberger Reinhardswald-Grundschule etwa beginnt um 8.10 Uhr, das Canisius-Kolleg in Tiergarten um 8.15 Uhr. Das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow hat sein Zeitmodell schon im Jahr 2006 umgestellt. Die erste Stunde beginnt dort um 8.30 Uhr. An der Joan-Miró-Grundschule in Charlottenburg beginnt der erste Unterrichtsblock um 8.35 Uhr. Ab 7.30 Uhr wird eine Frühbetreuung angeboten, zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr finden Förderunterricht und „Frühangebote“ statt, wie es auf der Homepage der Schule heißt. Am John-Lennon-Gymnasium in Mitte hat sich dagegen im Jahr 2009 die Mehrheit der Schüler gegen einen späteren Beginn entschieden.

Es gibt auch gute Argumente gegen einen späteren Beginn: Die Schultage verlängern sich mitunter in den Nachmittag, und dann haben Schülerinnen und Schüler weniger Zeit für Hobbys. Auch für berufstätige Eltern kann es problematisch sein, wenn sie selbst früher zur Arbeit müssen.

Bei Grundschulen sind in Berlin allerdings, unabhängig vom Unterrichtsbeginn, verlässliche Betreuungszeiten von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr garantiert, daneben gibt es die ergänzende Betreuung oder Ganztagsschulangebote. Doch auch bei Jugendlichen, die auf weiterführende Schulen gehen, dürfte es nicht allen Eltern recht sein, wenn sie selbst vor ihren Kindern das Haus verlassen müssen.

Elternsprecher: Viele Faktoren zu berücksichtigen

Landeselternsprecher Norman Heise sagte, dass der Schulbeginn im Landeselternausschuss „kein besonders dringendes Thema“ sei. Viele Faktoren, wie beispielsweise die Freizeitgestaltung oder die Vereinbarkeit für die Eltern seien zu berücksichtigen.

Für eine Bewertung würde ihn interessieren, „welche praktischen Erfahrungen Schulen, Lehrer, Schüler und Eltern mit einem späteren Beginn machen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false