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Müllers Vertrauter geht nach mehr als 20 Jahren: Christian Gaebler gibt Kreisvorsitz in der City West ab

In der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf geht eine Ära zu Ende. Senatskanzleichef Christian Gaebler gibt den Vorsitz im Bezirksverband ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

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Mit der Wahl eines neuen Kreisvorstands ging in der SPD Charlottenburg-Wilmersdorf am Donnerstagabend eine Ära zu Ende. Nach 20 Jahren legte Christian Gaebler, der auch Chef der Berliner Senatskanzlei ist, den Vorsitz im Bezirksverband nieder. Schon seit 1996 hatte Gaebler, als die Bezirke noch getrennt waren, den SPD-Kreisverband Wilmersdorf geführt.

In entspannter Atmosphäre, berichten Genossen, habe die Kreisdelegiertenversammlung mit Franziska Becker und Kian Niroomand erstmals eine Doppelspitze gewählt. Der Wechsel an der Spitze der Charlottenburg-Wilmersdorfer SPD war lange vorbereitet.

Schon vor zwei Jahren hatte Gaebler seinen Rückzug angekündigt, einige Parteifreunde hätten ihn gern früher verabschiedet, doch der 55-jährige Staatssekretär holte für sich eine großzügig bemessene Übergangsfrist heraus.

Der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller, der in Charlottenburg-Wilmersdorf um ein Direktmandat für den Bundestag kämpft, hielt am Donnerstag die Abschiedsrede für den Parteifreund und engen Vertrauten. Beide trieben schon in den neunziger Jahren die Initiative „Wir unter 40“ voran, die mit dem Ziel antrat, „jene Rituale aufzubrechen, in denen die 50-Jährigen gefangen sind“. Ein Kreis, zu dem auch der heutige Innensenator Andreas Geisel gehörte.

Auch jetzt fällt es Gaebler noch schwer, endgültig Abschied von der Parteipolitik zu nehmen. Das würde auch nicht zu ihm passen. Gemeinsam mit der Genossin Katrin Lück wurde er jetzt Vorsitzender des Ortsverbands Wilmersdorf-Nord, mit rund 450 Mitgliedern eine der größten SPD-Gliederungen in Berlin.

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Damit behält er indirekt Einfluss auf die Geschicke des Kreisverbands, der mit knapp 2.500 Genossen wiederum großes Gewicht im SPD-Landesverband hat.

Außerdem bleibt Robert Drewnicki, Planungschef Müllers im Roten Rathaus, als Kassierer im engeren SPD-Kreisvorstand. Mit Gaebler ging Drewnicki schon gemeinsam zur Schule, später arbeiteten sie in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion und dann in der Senatskanzlei eng zusammen. Der Regierende Bürgermeister, für den Charlottenburg-Wilmersdorf das Eingangstor zum Bundestag werden soll, bleibt also gut umhegt. Trotz der Gegenkandidatur der Staatssekretärin Sawsan Chebli.

Müllers Rückzug hat Gaebler mit vorbereitet

Als zur Jahreswende 2019/20 in vertraulichen Zirkeln der Rückzug des Regierungs- und SPD-Landeschefs Müller aus der Landespolitik vorbereitet wurde, war Gaebler natürlich auch dabei. Er war es auch, der in Kooperation mit dem SPD-Bundesvorstand das Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin initiierte.

Christian Gaebler arbeitete schon in den 90er-Jahren in der SPD mit Michael Müller zusammen.
Christian Gaebler arbeitete schon in den 90er-Jahren in der SPD mit Michael Müller zusammen.

© imago/Photopress Müller

Ein Generalist und Tausendsassa, der ziemlich stur und rechthaberisch sein kann. Andererseits loben viele Genossen die Fähigkeit Gaeblers, innerparteiliche Minderheiten einzubinden und gegensätzliche Interessen auszubalancieren.

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In jedem Fall hat er in den vergangenen drei Jahrzehnten alle möglichen politischen Funktionen effektiv genutzt, um seinen Einfluss geltend zu machen. In den 80er Jahren als Jungsozialist und in der Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf. Von 1995 bis 2011 saß Gaebler im Abgeordnetenhaus, zuerst als verkehrspolitischer Sprecher, dann zehn Jahre als Fraktionsgeschäftsführer an der Seite des Fraktionsvorsitzenden Müller.

Hobby-Schiedsrichter und Restaurantbetreiber

Dem Stadtentwicklungssenator Müller folgte Gaebler 2011 als Verkehrs-Staatssekretär ins Regierungsamt. Fünf Jahre später war er unter dem Innen- und Sportsenator Andreas Geisel für die Berliner Sportpolitik zuständig. Immerhin ist Gaebler nicht nur Hertha-Fan, sondern auch Hobby-Schiedsrichter.

Nebenbei betrieb er bis Ende 2019, fast schon seit Jugendjahren zusammen mit einem Freund, das Restaurant „Sol y sombre“ am Kreuzberger Oranienplatz.

Stets blieb Gaebler der Mann in der zweiten Reihe, auch wenn er gelegentlich mit Senatsämtern in Verbindung gebracht wurde. Sogar als Flughafenchef wurde er kurzzeitig gehandelt. Man hatte jedoch nie das Gefühl, dass er sich mit aller Macht in die erste Reihe durchboxen wollte.

An der Nahtstelle der Berliner Regierungsarbeit

Als der Senatskanzleichef Björn Böhning im März 2018 ins Bundesministerium für Arbeit wechselte, übernahm Gaebler die Senatskanzlei. Gedrängelt habe er sich nicht, deutete Gaebler damals an. Als Sport-Staatssekretär hatte er sich pudelwohl gefühlt, aber inzwischen gefällt ihm der Job an der zentralen Nahtstelle der Regierungsarbeit.

Angeblich würde Gaebler auch über die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 hinaus Kanzleichef bleiben. Aber das hängt vom Wahlergebnis ab. Selbst wenn die Bundesministerin Franziska Giffey ins Rote Rathaus einziehen würde, könnte sich Gaebler seiner beruflichen Zukunft nicht sicher sein. Aber er wird notfalls sicher noch was Anderes finden.

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