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Unbefristet sicher. Genossenschaftsvorstand Ulf Heitmann (links) und Bewohner Andreas Döhler.

© Veronica Frenzel

Liebig 15: Modell Genossenschaft

Den richtigen Zeitpunkt abgepasst: Das Haus Liebigstraße 15 in Friedrichshain.

Im Winter des Jahres 2002 fürchtete Andreas Döhler, sein bisheriges Leben könnte vorbei sein. Dass er das Haus in der Liebigstraße 15 in Friedrichshain verlassen muss. Mehr als zwölf Jahre wohnte er damals schon dort. Seine Tochter war in dem Haus geboren worden. Die Bewohner waren wie eine große Familie. Sie hatten das Haus im Sommer 1990 besetzt und später Mieten mit dem städtischen Eigentümer, der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF), ausgehandelt. Doch im Winter 2002 wollte die WBF das Haus an einen Privateigentümer verkaufen.

Döhler und die anderen hatten Glück: Sie sind immer noch da – im Gegensatz zu ihren Nachbarn aus dem besetzten Haus in der Liebigstraße 14, das im Februar 2011 geräumt wurde. 2002 schreckte das heruntergekommene, bemalte Haus die Investoren noch ab. Die Besetzer hatten Zeit, nach Möglichkeiten zu suchen, um bleiben zu können. Ihre Geschichte zeigt, dass das Land Berlin durchaus sozialverträgliche Mieten fördern kann.

Auch Döhler und die anderen wussten, dass sich etwas ändern musste. Ihr Haus drohte einzustürzen, sie hatten kein Geld für die Sanierung. Sie baten also um einen Termin bei der WBF, um über Lösungen zu sprechen. Dort bot man ihnen aber nur an, sie könnten das Haus kaufen - wenn sie den Verkehrswert in Höhe von damals 250.000 Euro auftrieben, bevor ein Investor zuschlägt. Der Wettlauf begann.

Die Chemie stimmte sofort – und auch der Zeitpunkt passte

Andreas Döhler erfuhr von einem Bekannten, dass die Genossenschaft „Bremer Höhe“ speziell ehemalige Hausbesetzer unterstützte. Die „Bremer Höhe“ wurde von einer Gruppe von Mietern im Prenzlauer Berg im Januar 2000 gegründet. Damals sollten auch die Häuser, in denen sie lebten, an einen Investor verkauft, saniert und anschließend viel teurer vermietet werden. Die „Bremer Höhe“ schaffte es damals, die Häuser zu kaufen – außerdem zu sanieren und die Mieten bis heute unter dem Mietspiegel zu halten. Döhler rief beim Vorstand Ulf Heitmann an. Die beiden waren sich schnell einig. „Die Chemie stimmte sofort – und auch der Zeitpunkt passte“, sagt Heitmann heute. Die Genossenschaft kaufte, sanierte mit einer großzügigen Subvention der Stadt das Gebäude und schloss mit den Bewohner der Liebigstraße 15 einen Selbstverwaltungsvertrag und garantiert seitdem billige Mieten. Der Quadratmeter kostet heute 3,85 Euro netto, kalt und dabei wird es auch bleiben.

Die Hälfte der Bewohner war damals mit dem Deal der „Bremer Höhe“ einverstanden, die anderen zogen aus. „Die Stimmung im Haus ist jetzt noch besser als vor 2003“, sagt Andreas Döhler heute. „Die Leute, die jetzt da sind, haben sich für das Haus entschieden, die Gemeinschaft funktioniert sehr gut.“

Mittlerweile haben Andreas Döhler und seine Frau sich getrennt. Beide haben eine neue Wohnung in der Liebigstraße 15 – und die Tochter kann wählen, wo sie übernachtet.

Fazit: Das Wohnprojekt Liebig 15 existiert immer noch, weil der Quadratmeterpreis in Friedrichshain damals noch günstig war – und es finanzielle Förderungen gab. Heute können sich gemeinnützige Genossenschaften Berlin kaum mehr leisten.

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