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Laut der US-Studie liegt das Berliner Verkehrssystem im internationalen Vergleich im oberen Drittel.

© picture alliance/dpa

Mobilitätssystem im internationalen Vergleich: Berlin war früher mal ein Vorbild

Die Mobilitätsstudie sieht Berlin im weltweiten Vergleich auf einem respektablen 10. Platz. Bei der Innovation sehen die Forscher Entwicklungspotenzial.

Berlin ist mit seinen Verkehrssystemen gut aufgestellt – muss aber etwas tun, um von den großen Metropolen der Welt nicht abgehängt zu werden. In einer weltweiten Mobilitätsstudie, die am Dienstag in Paris präsentiert wurde, steht die deutsche Hauptstadt auf dem 10. Platz von 30 untersuchten Metropolen – vor allem wegen des exzellenten Nahverkehrsnetzes. Verfasst wurde die Studie von Alexandre Bayen, einem der bekanntesten US-Verkehrsforscher und Leiter des Transport-Instituts an der Berkeley-Universität in San Francisco.

Die Studie heißt Urban Mobility Readiness, was sich mit Mobilitätsbereitschaft übersetzen lässt. Untersucht wurde, inwieweit Städte modernen Technologien und Verkehrsmitteln aufgeschlossen sind. Die Wissenschaftler haben sich fünf Kategorien näher angeschaut: das Nahverkehrsnetz, soziale Auswirkungen des Verkehrs, die Innovationsfreudigkeit der Behörden, die Attraktivität für Mobilitäts-Start-ups sowie die Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer.

Der Berliner Mobilitätsforscher Hans-Liudger Dienel nannte den 10. Platz Berlins „eine sehr interessante Nachricht, gerade vor dem Hintergrund des Berliner Mobilitätsgesetzes“. Berlin war in den 20er Jahren weltweit ganz vorne, sagt Dienel. Und das könnte auch heute wieder so sein, meint er: „wenn in den letzten 30 Jahren mutiger zugunsten einer nachhaltigen Mobilität entschieden“ worden wäre. Als Beispiele für die verzagte Verkehrspolitik nannte der Forscher den nur minimalen Ausbau des Tramnetzes nach dem Mauerfall in den Westen und das bisher nur rudimentäre Radwegenetz.

Dagegen wird New York in Bayens Studie dezidiert wegen des schnell wachsenden Radwegenetzes gelobt. Chinesische Städte profitieren von der „aggressiven“ Förderung der Elektromobilität durch die Regierung – Schanghai und Peking gehören zu den Top Ten.

Eine Chance sieht Dienel im Berliner Mobilitätsgesetz. „Wenn es nicht nur bei Ankündigungen bleibt“, werde diese „mutige Entscheidung“ Berlin „weiter nach vorne rücken“, davon ist der TU-Professor überzeugt.

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Über manche U-Bahnverlängerungen wird Jahrzehnte diskutiert

Dienel und Bayen hatten Anfang des Jahres in einem gemeinsamen Beitrag für den Tagesspiegel die Langsamkeit der Verkehrspolitik Berlins im Vergleich zu anderen Metropolen kritisiert. Schanghai zum Beispiel habe 1995 die erste U-Bahn-Linie eingeweiht. Jetzt sind es 22 Linien mit 637 km Länge. „Zeitweise waren über 100 Stationen gleichzeitig im Bau“, sagte Dienel. Berlin will 2020 immerhin drei Stationen eröffnen und damit U5 und U55 verbinden. Ansonsten gibt es lediglich „Machbarkeitsstudien“. Über manche Verlängerungen, zum Beispiel der U8 ins Märkische Viertel, wird seit Jahrzehnten diskutiert.

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Im Mobilitäts-Ranking schneidet Berlin vor allem deshalb so gut ab, weil die Forscher das Nahverkehrsangebot gleich hinter New York auf Platz 2 einstuften. Bewertet wurden Dichte des Netzes, Takte, Nachtfahrten und Verlässlichkeit. Allen Klagen über BVG und S-Bahn zum Trotz: „Wir haben im Weltmaßstab paradiesische Zustände“, sagt Dienel.

Bei Kategorie zwei, der Infrastruktur z.B. für Fußgänger kommt Berlin noch auf einen achten Platz. Bei Innovation und Modernität ist die Stadt jedoch nur Mittelmaß. Bei den sozialen Auswirkungen (wie Staudichte, Verkehrssicherheit oder Luftqualität) liegt Berlin auf Platz 13 der 30 Städte. Das hat Gründe: Wie berichtet, war die Zahl der Verkehrstoten 2018 um 25 Prozent gestiegen. Vom selbst gesteckten Ziel Null Verkehrstote ist Berlin weit entfernt. Bewertet wurde auch, ob es den Städten gelingt, den privaten Autoverkehr einzudämmen.

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Bei der dritten Kategorie Innovationsfreudigkeit liegt Berlin auf Platz 14. Hier führt der Gesamtsieger Singapur, weil dort alle Verkehrsmittel intelligent verknüpft sind. In einer ähnlichen Studie hatte die Region Berlin-Brandenburg im europäischen Vergleich nur Platz 32 belegt. Auch diese im Oktober vorgestellte Studie bemängelte die fehlende Innovationskraft der Region.

Im letzten Drittel, auf Platz 21, liegt Berlin bei der „Marktattraktiviät“. Dazu zählt die Förderung neuer Mobilität, die digitale Vernetzung, aber auch die Zahl der Flugverbindungen – Berlin ist bekanntlich kein Drehkreuz im Luftverkehr, das kostete die Stadt Punkte. Nach Einschätzung Dienels ist Berlin noch kein „Reallabor für moderne Mobilität“. Der Forscher erwartet aber, dass Berlin hier aufholen wird – zum Beispiel durch die Ansiedlung von Tesla. Bayens Studie erwartet „signifikante Bewegung in der Rangliste in den kommenden Jahren“.

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