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Wenn der Gedächtnisverlust zunimmt, sollte man sich Hilfe suchen

© Kitty Kleist-Heinrich/Tagesspiegel

Mit Tanzen gegen Demenz: Vivantes eröffnet Memory Clinic im Berliner Osten

In Marzahn-Hellersdorf altert die Bevölkerung schneller als in anderen Bezirken. Das Klinikum Kaulsdorf hat nun ein Demenzzentrum gegründet. Hier die Abläufe, was dort passiert.

Von Johanna Treblin

Der Westen hat eine, und nun auch der Osten: Anfang des Jahres hat der landeseigene Krankenhauskonzern Vivantes am Klinikum Kaulsdorf eine sogenannte Memory Clinic eröffnet. Ein solches Demenzzentrum gibt es am Klinikum Spandau bereits seit längerem. Angesiedelt sind beide in den psychiatrischen Abteilungen – oder genauer: in der Gerontopsychiatrie, also der Sektion für ältere Menschen.

„Die deutsche Bevölkerung wird immer älter“, sagt Chefarzt Christoph Richter bei einem Vorort-Besuch des Tagesspiegel-Bezirksnewsletter in Kaulsdorf. „Und mit dem Alter kommen Alterserkrankungen. Damit steigt auch das Risiko von Demenzen.“ Neben Alzheimer gibt es noch eine Reihe weiterer Varianten der Erkrankung. „Daraus ergeben sich Fragen und Sorgen.“

In Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Laut der Weltgesundheitsorganisation ist sie die siebthäufigste Todesursache weltweit und eine der Hauptursachen für Pflegebedürftigkeit bei älteren Menschen.

Wir kompensieren den Mangel.

Christoph Richter, Chefarzt

Marzahn-Hellersdorf altert schneller als andere Bezirke. Gleichzeitig ist die Arztdichte besonders niedrig. Die Versorgung mit Psychotherapeut:innen ist hier dreimal schlechter als in Charlottenburg-Wilmersdorf. „Das bedeutet, die Menschen haben nicht immer die notwendigen kompetenten Ansprechpartner. Wir als Klinik springen da ein – kompensieren sozusagen den Mangel“, sagt Richter.

Die Idee für die Memory Clinic entstand in Kaulsdorf selbst. Eine gerontologische Tagesklinik gab es bereits – und da wurden die Bedarfe deutlich.

Das Angebot richtet sich an Menschen, die erste Anzeichen von Konzentrationsschwierigkeiten erkennen, denen beispielsweise häufig Namen oder Wörter nicht mehr einfallen. Der erste Schritt geht über den Hausarzt. Erst mit dessen Einweisungsschein können Patient:innen sich an Richters Team wenden. In einem ersten Telefonat soll geklärt werden, ob die Betroffenen in der Klinik an der richtigen Stelle sind – oder ob ihre Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen beispielsweise eine Folgeerscheinung einer Covid-Erkrankung sind.

Christoph Richter ist Chefarzt in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Vivantes Klinikum Kaulsdorf

© promo/Christoph Richter

Dann geht es in die Klinik – drei Tage Programm, man schläft zu Hause. Am ersten Tag werden eine Reihe anerkannter Tests gemacht: Die Patient:innen werden nach dem aktuellen Datum gefragt und der Jahreszeit. Sie sollen geographische Figuren nachmalen, Wörter auswendig lernen.

Da es um mehr als stures Ankreuzen geht, werden die Tests immer gemeinsam mit medizinischem Personal durchgeführt. Unter anderem deshalb ist die Arbeit personalintensiv: Auf 228 Patient:innen in der gesamten Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik kommen fast ebenso viele Ärzt:innen und Pfleger:innen. Ein, höchstens zwei Patient:innen können pro Tag in der Memory Clinic behandelt werden. Eine Warteliste von Interessierten ist bereits eingerichtet. „Psychiatrie ist eine Beziehungsmedizin“, sagt Richter.

Am zweiten Tag wird die körperliche Fitness getestet. Blut wird untersucht, wenn notwendig CT oder MRT vom Kopf erstellt. Denn teils können Demenzerkrankungen durch Gefäßveränderungen im Gehirn verursacht sein und so nachgewiesen werden. Am dritten Tag werden die Ergebnisse ausgewertet. Gemeinsam soll auch überlegt werden, wie es weitergeht. Helfen Medikamente? Braucht es eine gesetzliche Betreuung?

„Das Wichtigste ist, eine Struktur im Alltag und soziale Aktivitäten zu haben“, sagt Richter. „Das Gehirn ist wie ein Muskel und muss trainiert werden. Wenn ein Profi-Sportler plötzlich nur noch auf dem Bett liegt, dann verliert er auch ganz schnell seine Muskeln.“ Außerdem gelte es, „Vermeidungsverhalten zu vermeiden“. Wer sich aus Scham zurückziehe, riskiere Depressionen. Deshalb ermutige das Team um Richter, Sport- oder Tanzkurse in der Nachbarschaft zu besuchen oder andere Freizeitaktivitäten im Kiez zu finden. Dabei können auch Angehörige helfen. Letztlich gehe es darum, „trotz Einschränkungen ein lebenswertes Leben zu leben“.

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