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Der Sound der Straße. Besonders gern spielen "Supercomfortable" am U-Bahnhof Eberswalder Straße - auch während der Fête de la Musique.

© Doris Spiekermann-Klaas

Fête de la Musique in Berlin: Mit Hut, Charme und Gitarre

Nicht nur zur Fête de la Musique ist Berlin eine große Bühne. Unterwegs mit der Band Supercomfortable, die auf Straßengigs schwört. Außerdem: Tipps zur Fête.

Ein tannengrüner Hut steht auf dem Steinboden vor dem U-Bahnhof Eberswalder Straße. Zwei Euro liegen schon drin: „Unser Startkapital und damit der Hut nicht wegweht“, sagt René Höpfner. Der 34-jährige Schlagzeuger steht an diesem windigen Abend mit seinen Bandkollegen Alex Kayser, 28, und Mehdi Sangsari, 34, vor den Bahnhofstreppen. Er setzt sich an sein Mini-Schlagzeug, Alex zupft auf der E-Gitarre und Mehdi stimmt den Bass. Es geht los, René ruft: „Hallo Leute, wir sind Supercomfortable und wir spielen jetzt ein bisschen Musik für euch.“

Seit 2011 machen Alex, Mehdi und René als „Supercomfortable“ Musik, seit drei Jahren spielen sie regelmäßig auf Berliner Straßen. Aber nicht nur dort: Auch in Cafés, auf Flohmärkten und Festivals haben sie gespielt. Straßenkonzerte sind dabei für die Band am lukrativsten: „Weil du ein viel größeres Publikum hast“, sagt Alex. „Die nehmen dann eine CD mit, schmeißen Geld in den Hut und geben uns ein Like bei Facebook.“

"Das Publikum sucht sich dich aus"

Es ist 17.30 Uhr, als die Jungs losspielen, Ambient-Musik mit Funk-Basslinien. Drum herum Feierabend-Lärm: Autos, Tram, U-Bahn. Die Musik der Band ist gerade laut genug: „Wir wollen die Menschen mit der Musik nicht wegblasen, sondern sie auf dem Nachhauseweg begleiten“, sagt Alex.

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Das Publikum ändert sich mit jedem Song. Ein Mann mit Sakko auf dem Arm macht ein Selfie mit der Band im Hintergrund. Daneben stehen Touristen, eine Mutter mit ihrer Sechsjährigen. Ein Flaschensammler flucht, als ihm eine Flasche auf dem Boden zerschlägt. Geklatscht wird zwischen den Songs heute nicht, der Band macht das nichts aus. „Wir spielen für uns“, sagt Mehdi. „Und die meisten erkennen nicht, wann ein Song endet und der nächste beginnt.“

Wenn die U-Bahn oder die Tram Menschen ausspucken, kommen neue Hörer hinzu, andere gehen wieder weiter. „Das ist so toll an Straßenmusik“, sagt Alex, „Das Publikum sucht sich dich aus.“ Bei einem Club-Auftritt käme das Publikum auch wegen anderer Bands, aber beim Konzert auf der Straße blieben nur die, denen die Musik wirklich gefällt.

Auf der Fête ist der Hut nicht voller als sonst

Auf der Fête de la Musique (Tipps weiter unten) haben „Supercomfortable“ schon oft gespielt, dieses Jahr will die Band nur noch inoffiziell, also ohne Anmeldung, dabei sein. So können sie spontan weiterziehen, erklärt Alex. „Die Orte sind je nach Zeitpunkt unterschiedlich stark frequentiert.“ Dennoch kann es gut sein, dass der Hut am Ende des Tages gar nicht so viel voller ist als sonst. Die Fête de la Musique, so schätzen die Bandmitglieder, gilt als ein Tag, an dem es überall Musik für lau gibt. Das macht ihnen aber nichts aus, sie wollen in Prenzlauer Berg umherziehen und in der Nähe des Mauerparks vorbeischauen.

Auf der Straße musizieren die drei Freunde immer, wenn gutes Wetter ist. Wie lange sie spielen, hängt von den Anwohnern ab: „An der Oberbaumbrücke kam die Polizei schon nach fünf Minuten“, sagt Mehdi. Die Nachbarn fühlten sich von der Musik gestört, „Supercomfortable“ musste abbauen. Genehmigungen von der Stadt, etwa für die E-Gitarre, haben sich die Jungs bisher nicht besorgt. Die bräuchten sie eigentlich, um mit Verstärker auftreten zu dürfen. „Wir haben noch keine anderen Bands kennengelernt, die eine solche Zulassung hatten.“ Aber Berlin sei meistens eine musikerfreundliche Stadt. „Wenn es Beschwerden gibt, dann gehen wir eben.“

"In Friedrichshain spenden mehr Leute, dafür sind die Beträge kleiner"

An der Warschauer Straße, wo immer irgendwer auftritt, spielen sie aber nicht gern. Zu überlaufen, zu lange Wartezeiten, bis sie dran sind. Lieber gehen sie am frühen Abend ins Amphitheater des Mauerparks, auf den Alexanderplatz oder eben zur Eberswalder Straße. Hier gibt es viele Passanten und sie können oft direkt loslegen.

Kürzlich war ein Botschafter aus Den Haag unter den Zuhörern. Dem Diplomaten gefiel der Auftritt so gut, dass er „Supercomfortable“ für einen Auftritt in den Niederlanden einlud. Von der Gage will sich die Band ihre erste Straßenmusik-Tour finanzieren. Auch die Aufnahmen für das erste Album müssen bezahlt werden, neben Straßengigs gibt es darum jetzt auch eine Crowdfundingkampagne. Als Straßenmusiker bekomme man die finanziellen Mittel der Kiezbewohner schon mit, sagt René. „In Friedrichshain geben mehr Leute Geld, aber kleinere Beträge. In Prenzlauer Berg spenden weniger, aber selten unter einem Euro.“

"Jenau, spielt mal!"

Es ist mittlerweile 18.30 Uhr, Krankenwagensirenen mischen sich in die Songs. Dann kommt Blaulicht, ein Polizist spricht mit Alex, Mehdi und René. Einen Nachbarn scheint die Musik gestört zu haben. Der Besitzer des Spätkaufs unter der U2 kann das nicht verstehen. „Macht doch Spaß, die Musik“, sagt er. „Jenau, spielt mal!“, ruft ein Mann aus dem Publikum. Es hilft nichts, die Band packt ein.

Es geht weiter zum Mauerpark. Im Amphitheater sitzen bereits einige Leute. „Hallo Leute, wir sind Supercomfortable und spielen jetzt Musik für euch“, ruft René wieder. 125 Euro liegen am Ende des Tages im Hut. Kurz vor 21 Uhr nähert sich ein Polizeiauto. Die Musik gerät ins Stocken, die Zuschauer wirken angespannt – aber die Streife fährt vorbei. René, Alex und Mehdi spielen weiter, bis die Sonne untergeht.

„Supercomfortable“-Auftritt spielen während der Fête de la Musique am 21. Juli unter anderem um 20 Uhr auf Höhe der Eberswalder Straße 35. Die Crowdfundingkampagne läuft bis zum 25. Juli.

Tipps zur Fête de la Musique

1995 importierte Berlin das französische Event, seither ist die Fête de la Musique immer am 21. Juni ein guter Grund, durch die Kieze zu flanieren, an der einen Ecke Klezmer zu hören und an der nächsten Freestyle-Rap. Von 16 Uhr bis 22 Uhr wird die Stadt zur Open-Air-Bühne: Überall darf spontan musiziert werden – vorausgesetzt, es ist kein Strom, kein Verstärker im Spiel. Das ist nur an den 114 angemeldeten Bühnen möglich. Und nach 22 Uhr geht’s an 24 Orten weiter – dann drinnen, um die Nachbarn nicht zu stören.

Zu einer richtigen Fête gehören natürlich Chansons, etwa mit Akkordeon von Galyna Classe ab 19 Uhr in der Ganymed Brasserie am Schiffbauerdamm 5. Ganz anders klingt es um 16.45 Uhr im Spreefeld, Wilhelmine-Gemberg-Weg 10–14: „Oriental Trip Hop“, garniert mit Drum’n’Bass. Recht voll dürfte es vor der Redbull Music Academy-Stage im Mauerpark werden: Hier tritt um 19.40 Uhr Grammy-Gewinner Thundercat auf, um 21 Uhr dann das Elektronik-Hip-Hop-Genie Flying Lotus. Hier gibt es das ganze Programm und hier eine Karte mit den Bühnenstandorten.

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