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Ein Banner der Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen" bei Protesten im April. Auch am Sonntag soll es wieder eine Demonstration geben.

© REUTERS/Christian Mang

Nach gescheitertem Mietendeckel: Mieterinitiativen rufen zur Großdemonstration am Pfingstsonntag auf

Der Mietendeckel ist gekippt, die Wohnungsnot bleibt: Mieterinitiativen wollen Pfingstsonntag gegen Verdrängung auf die Straße gehen.

Das "Bündnis gegen Verdrängung und Mietwahnsinn" hat am Montag gemeinsam mit der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" und dem Berliner Mieterverein zu einer Großdemonstration am Pfingstsonntag aufgerufen. Unter dem Motto "Gegen den Mietwahnsinn - Jetzt erst recht!" soll erneut auf die Wohnungsmarktsituation in Berlin aufmerksam gemacht werden. Angemeldet sind nach Angaben des Bündnisses 10.000 Teilnehmer:innen. Es sei aber das Dreifache dessen möglich.

Das "Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn" gibt es nach eigenen Angaben seit 2018. Seitdem habe man als Reaktion auf die Wohnungskrise in Berlin mehrere Großdemonstrationen mit bis zu 35.000 Teilnehmer:innen organisiert. Die Demonstration am Pfingstsonntag soll um 13 Uhr am Potsdamer Platz starten. Von dort aus soll es über die Potsdamer Straße und die Pallas Straße zum Nollendorfplatz gehen.

"Anlass der Demonstration ist, dass uns der Mietendeckel geklaut wurde", erklärte Tim Lenau vom Bündnis gegen Mietwahnsinn bei einer Pressekonferenz am Montag. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nannte er "skandalös". Es sei "auffällig" und "waghalsig", dass Mietrecht und Wohnungswesen Ländersache seien, die Miethöhe aber nicht. "Es wird behauptet, die Miethöhe sei vollumfassend geregelt", sagte Lenau. "Wir Mieter und Mieterinnen wissen, das ist definitiv nicht der Fall."

Gleichzeitig betonte Lenau, dass es bei der Demonstration nicht um die "juristischen Feinheiten" gehe, sondern um die "konkrete Not", die durch das Urteil ausgelöst worden sei. Vielen Menschen sei durch die Corona-Pandemie "das Einkommen weggebrochen", während die "Gewinne von Vermietern garantiert" werden. Das sei nicht hinnehmbar.

"Wir haben eine Wohnungskrise" bekräftigte Lenau außerdem. Trotz Leerstand würden viele Menschen keine Wohnung finden. "Wir sind dafür, dass jeder Mensch in Berlin und überall das Recht auf Wohnen hat. Dieses kann der Markt derzeit offensichtlich nicht gewährleisten". Daher forderte das Bündnis unter anderem Mietsenkungen, den Erlass von Mietschulden und das Ende von Bodenspekulationen sowie die Umverteilung der "Gewinne mit Grund und Boden", um die Kosten der Corona-Pandemie für die Gesellschaft zu finanzieren. Das sei aber nur eine Auswahl von Forderungen, ergänzte Lenau. Jede und Jeder auf der Demo habe seine eigenen Forderungen.

Auch die Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen" beteiligte sich an dem Aufruf zur Demo. "Die Wut und Verzweiflung nach dem desaströsen Mietendeckelurteil ist größer denn je", erklärte Leonie Heine von der Initiative. Man arbeite am Erfolg des Volksbegehrens und bereite sich auf die Abstimmung im September vor. Dafür sei es unerlässlich, "gemeinsam mit anderen Initiativen und dem Mietenwahnsinn-Bündnis den Druck auf den Senat aufrechterhalten" und auf die Demonstration zu gehen.

Auch ein "Enteignungscamp" soll stattfinden

Neben der Demonstration plant die Initiative am Wochenende zudem das "Deutsche Wohnen und Co Enteignungscamp" abzuhalten. Etwa 250 Interessierte und Aktive aus ganz Deutschland sollen dafür nach Berlin kommen und sich an zwei Standorten austauschen. Neben Workshops, Argumentationstraining und gemeinschaftlichem Unterschriftensammeln soll es auch eine "inhaltliche Veranstaltung" im Haus der Statistik geben.

Dabei werde mit Aktivist:innen aus der Gesundheits- und Klimabewegung über "die Möglichkeit der Vergesellschaftung auch in anderen Themenfeldern" diskutiert. Das Camp zeige, dass die "Kampagne über Berlin hinausstrahlt und auch in anderen Orten Diskursmöglichkeiten öffnet", erklärte Leonie Heine. Zudem zeige es, "dass die Forderung nach Vergesellschaftung von Wohnraum auch über Berlin hinaus gefordert wird".

Franziska Schulte vom Berliner Mieterverein nannte den Tag der Urteilsverkündung einen "schwarzen Tag". Der Mieterverein forderte den Bund auf, zu handeln. "Das niederschmetternde Urteil des Bundesverfassungsgericht hat offenbart: Der Bundesgesetzgeber kann. Wir sagen: Er muss!"

Schulte versicherte, dass der Berliner Mieterverein den Mietendeckel "richtig und notwendig" empfunden habe und daher auch das Gesetzgebungsverfahren "aktiv begleitete". Daher stelle das Urteil auch für den Mieterverein eine "juristische Niederlage" dar.

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Zudem kritisierte sie die Stimmen, die in den vergangenen Wochen auf die Vorhersehbarkeit des Urteils hingewiesen hatten. Diese würden damit "Stimmung auf dem Rücken der Mieterschaft" machen. Sie verwies darauf, dass es durchaus Einige gegeben habe, die den Mietendeckel als verfassungsgemäß eingestuft hätten.

Weiter kritisierte Schulte, dass "jede gesetzliche Regulierung von Mieten oder für besseren Mieterschutz" von Vermieter:innen und ihren Verbänden "angegriffen" werde. Dass zeige, "dass ein deutlich höherer Anteil an gemeinwohlorientierten Vermieter:innen dringend notwendig ist, um den Menschen Bezahlbarkeit, Sicherheit und Mitbestimmung für ihr Zuhause garantieren zu können". Daher unterstütze der Mieterverein das "Volksbegehren zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne" sowie die bundesweiten Initiativen und Bündnisse, die "für eine bundesweite Mietpreisregulierung" kämpfen.

Nicolas Lepartz

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