zum Hauptinhalt

Auswertung von Krankenkassen-Daten: Mehr ältere Jugendliche in Berlin an Depressionen erkrankt

2020 sind laut einer Auswertung der Krankenkasse DAK mehr Jugendliche an Depressionen erkrankt. Auch in Brandenburg stieg die Zahl der zu behandelnden Kinder.

Während der Corona-Pandemie ist die Zahl der neu an Depressionen erkrankten Jugendlichen zwischen 15 und 17 in Berlin nach Krankenkassen-Zahlen deutlich gestiegen. Im ersten Pandemiejahr 2020 sind in der Hauptstadt bei den 15- bis 17-Jährigen über 17 Prozent mehr als im Vorjahr erstmals mit einer Depression behandelt worden. Das geht aus einer Auswertung der Krankenkasse DAK-Gesundheit hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Bei den Fünf- bis Neunjährigen blieben die Zahlen konstant, bei den Zehn- bis 14-Jährigen gab es demnach hingegen einen leichten Rückgang. Der „Kinder- und Jugendreport“ der DAK basiert den Angaben zufolge auf Abrechnungsdaten von mehr als 41.000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Berlin versichert sind. Analysiert wurden demnach die Jahre 2019 und 2020. Der Report basiere damit auf Daten von etwa sieben Prozent aller Kinder und Jugendlichen in der Hauptstadt und sei hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung repräsentativ.

Die Psychologin ist nicht überrascht

„Das überrascht mich gar nicht“, sagte Julia Asbrand, Kinder- und Jugendpsychologin an der Humboldt-Universität zu Berlin mit Blick auf die Zunahme der Depressionen bei Jugendlichen. In ihrem Berufsalltag erlebe sie einen Anstieg der psychischen Erkrankungen bei jungen Menschen. „Da ist ein erhöhter Bedarf in den letzten Jahren, der ständig ansteigt“, erklärte sie der Deutschen Presse-Agentur. Dies nur auf Corona zu beziehen, halte sie für zu kurz gedacht. „Es gibt viele Themen, die die Jugendlichen stark umtreiben, die Klimakrise beispielsweise oder globale politische Konflikte.“
Tatsächlich, so Asbrand, halte sie die Dunkelziffer bei psychischen Erkrankungen für hoch - auch, weil die Stigmatisierung immer noch ein „ganz großes Problem“ in Deutschland sei. Die Expertin forderte mehr niedrigschwellige Angebote besonders in den Schulen - etwa den verstärkten Einsatz von Schulsozialarbeit und Schulpsychologen. „Da ist noch Luft nach oben, wir müssen ganz viel Aufklärung betreiben.“

[In unseren Leute-Newslettern berichten wir wöchentlich aus den zwölf Berliner Bezirken. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen:leute.tagesspiegel.de]

Den DAK-Daten zufolge ist 2020 in Berlin zudem der Anteil der 15- bis 17-Jährigen, die wegen Alkoholmissbrauchs in ärztlicher Behandlung waren, um zwölf Prozent gestiegen. Bundesweit zeigte sich ein entgegengesetzter Trend. Ärztlich behandelter Cannabis-Missbrauch in dieser Altersgruppe nahm sogar um fünfzig Prozent zu. Bei Adipositas-Erkrankungen war den Daten zufolge bei Kindern zwischen fünf und neun Jahren ein merkliches Plus von 21 Prozent zu verzeichnen.

In Brandenburg sind mehr Jüngere betroffen

Auch in Brandenburg stieg laut DAK die Zahl, der neu an Depressionen erkrankten Kinder deutlich. So wurden im ersten Pandemiejahr 2020 rund ein Drittel mehr Mädchen und Jungen erstmals mit einer Depression ärztlich behandelt als im Vorjahr, insbesondere bei den Kindern zwischen zehn und 14 Jahren. Bei den Zehn- bis 14-Jährigen war es demnach ein Plus von 33 Prozent, bei den Fünf- bis Neunjährigen von 30 Prozent. Unverändert blieb die Neuerkrankungsquote bei Jugendlichen zwischen 15 und 17. Der „Kinder- und Jugendreport“ der DAK basiert den Angaben zufolge auf Abrechnungsdaten von rund 40 000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Brandenburg versichert sind. Analysiert wurden demnach die Jahre 2019 und 2020. Der Report basiere damit auf Daten von über zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen in der Hauptstadt und sei hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung repräsentativ.

[Lesen Sie diesen Tagesspiegel-Plus-Text zum Thema: Mehr Depressionen und Angststörungen: Ärzte und Psychologen sorgen sich um suizidgefährdete Jugendliche in Berlin.]

Den DAK-Daten zufolge war in Brandenburg 2020 auch ein deutliches Plus bei Adipositas-Neuerkrankungen besonders bei jüngeren Kindern zu verzeichnen: Bei Kindern im Grundschulalter zwischen fünf und neun Jahren war es ein Anstieg um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig ging der Suchtmittelmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen zurück. Detlef Reichel, Landeschef des Berufsverbandes der Kinderärzte/Jugendmedizin, zeigte sich mit Blick auf die DAK-Daten sehr besorgt davon, in welchem Ausmaß psychische und psychosomatische Störungen bei Kindern und Jugendlichen 2020 zugenommen hätten. Er gehe sogar davon aus, dass die Zahlen im Zuge der weiteren Pandemie noch gestiegen seien. Die aufgezeigten Konfliktfelder seien nicht erst durch Corona entstanden, betonte der Experte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Die Pandemie habe aber wie ein Brennglas gewirkt und diese Probleme noch verstärkt. Besondere Sorge bereite ihm etwa auch die Entwicklung bei den Adipositas-Erkrankungen. „Wir sehen Kinder und Jugendliche, vor allem aber Kinder, die innerhalb eines Jahres 20 oder 30 Kilo zugenommen haben - zum Beispiel durch Bewegungsarmut und falsche Ernährung“, erzählte er. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false