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Luthes Ballons werden am Freitag nicht in den Himmel steigen können.

© Good Governance Gewerkschaft

Update

Massive Sicherheitsbedenken, Warnung vor „inneren Unruhen“: Für Freitag geplante Anti-Hamas-Demo in Neukölln abgesagt

Wegen massiver Sicherheitsbedenken muss der ehemalige Abgeordnete Marcel Luthe eine Anti-Hamas-Demo in Berlin absagen. Er wollte vor einer Salafisten-Moschee Ballons emporsteigen lassen.

| Update:

Eine für Freitagmittag angemeldete Demonstration gegen Antisemitismus und Hamas-Terror in Neukölln ist wegen massiver Sicherheitsbedenken der Berliner Polizei vom Veranstalter abgesagt worden. Das teilte der Organisator, der frühere Berliner Abgeordnete Marcel Luthe mit.

Der Fall offenbart, wie angespannt die Lage mit anhaltenden anti-israelischen Protesten und Ausschreitungen in Berlin ist und wie sehr sie die Berliner Polizei an ihre Leistungsgrenzen bringt. Die Behörde hat daher am Donnerstag Unterstützung vom Bund und von anderen Bundesländern angefordert.

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Im konkreten Fall wollte Luthe mit rund zehn Teilnehmern vom Rathaus Neukölln über die Sonnenallee bis vor die Al-Nur-Moschee ziehen, das Motto: Kein Platz für die Hamas – Berlin gegen Antisemitismus“.

Die Moschee gilt bei den Sicherheitsbehörden als Salafisten-Treffpunkt. Dort wollte Luthe 200 Helium-Ballons mit der Aufschrift „Free Gaza from Hamas“ aufsteigen lassen – als „klares Signal gegen Terrorismus und Antisemitismus“, wie Luthe sagt.

Allerdings äußerte die Polizei enorme Sicherheitsbedenken. Der Staatsschutz beim Landeskriminalamt kam zum Ergebnis, „dass der Eintritt eines schädigenden Ereignisses zum Nachteil der Versammlung wahrscheinlich ist“, heißt es in einer E-Mail an Luthe, die dem Tagesspiegel vorliegt. Besonders dann, wenn Teilnehmende von etwaigen Gegenprotesten nicht hinreichend von der Demo getrennt werden könnten. Auch Anfeindungen oder Angriffe von Einzelpersonen oder Kleingruppen seien „in allen Phasen“ der Versammlung wahrscheinlich.

Luthe zufolge habe die Versammlungsbehörde nach einer Gefährdungsbewertung ihm gegenüber erklärt, dass zum Schutz der Demonstration bis zu fünf Hundertschaften nötig gewesen wären.

Luthe richtet offenen Brief an Berlins Regierenden

In seiner Funktion als Vorsitzender der Good Governance Gewerkschaft hat sich Luthe nun in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gewandt.

Darin beschreibt er das Anliegen seiner Demonstration: Er habe mobile Großbildschirme gemietet, „um über diese die Tatsachen zum kriminellen und terroristischen Agieren der antisemitischen Hamas, der Ermordung von Homosexuellen und des Aufhetzens der eigenen Kinder gegen Juden möglichst breit sichtbar zu machen“. Außerdem habe er zu der Demo „mehrfach intensive Kooperationsgespräche mit der Polizei Berlin auf verschiedenen Ebenen bis zur Behördenleitung geführt“.

Doch von der aktuellen Situation sei er negativ überrascht worden, obgleich er als früherer Abgeordneter im Berliner Innen- und Verfassungsschutzausschuss und im Untersuchungsausschuss zum Amir-Anschlag am Breitscheidplatz angenommen hatte, ein realistisches Bild von der Sicherheitslage zu haben. Demnach sei ihm von der Polizei deutlich gemacht worden, dass die aktuelle Lage mit nichts vergleichbar sei, was man bisher erlebt habe, ausdrücklich auch nicht mit den Ausschreitungen am 1. Mai in früheren Jahren.

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Zudem sei ihm erklärt worden, dass „die Zahl der bisher verletzten Polizeibeamten und die Qualität der Angriffe eine neue Dimension hat und mit einer weiteren Zunahme schwerer Straftaten zu rechnen ist“. Einige Beamte seien teils aktuell 22 Stunden am Stück im Dienst und würden nach kurzer Pause wieder in den Einsatz gerufen. Die zu kurze Personaldecke reiche nicht aus, um die staatliche Kernaufgabe „Sicherheit“ zu erfüllen, erklärte Luthe.

Versicherer verweigert bei Eskalation die eigene Haftung

Obendrein habe der Versicherer seines Werbedienstleisters – für die Autos mit Großbildschirmen – aus Sicherheitsgründen den Versicherungsschutz verweigert.

In dem Schreiben des Versicherers heißt es: „Sobald sich mehrere Personen vereinigen und gegeneinander geraten, sprechen wir von inneren Unruhen, was einen generellen Ausschluss darstellt. Sollte es also eskalieren und Ihr Fahrzeug durch Vandalismus beschädigt werden, ist das nicht versichert.“

Luthe sieht darin eine „Situation, in der der Rechtsstaat massiv zurückgewichen ist“. Angesichts der Sicherheitslage zeigte sich der ehemalige Abgeordnete erschüttert: „Entgegen der leeren Worthülsen aller Sonntagsreden ist es also mit dem Bekenntnis zu jüdischem Leben und zur Freundschaft zu Israel nicht so weit her, als dass es ohne gewaltige Kraftanstrengungen und persönliche Risiken möglich wäre, diese Meinung jederzeit auf Berlins Straßen zu tragen.“

Polizei räumt Überschreitung der Höchstarbeitszeit bei Dienstkräften ein

Daher habe er sich schweren Herzens entschlossen, die Versammlung abzusagen. Er hoffe, „dass sehr bald die Sicherheit für diese Versammlungen ohne Gefährdung anderer Versammlungen und Einrichtungen gewährleistet werden kann“.

Die Polizei äußerte sich auf Anfrage nur teilweise zu den Aussagen Luthes, insbesondere zu den Dienstzeiten. „Die Kräfte werden mit einer maximalen Dienstzeit von zwölf Stunden vorgeplant. Eine Angabe zu den tatsächlichen Dienstzeiten einzelner Dienstkräfte ist nicht möglich.“ Allerdings räumte die Polizei ein, dass die Höchstarbeitszeit „aufgrund der Einsatzlage in Teilen überschritten“, worden sei.

Grüne werfen Luthe „als Provokation angelegte Ego-Show“ vor

Es sei „eine bedauerliche Situation“, dass eine Demonstration unter diesem Motto so viel Polizeischutz benötige, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Burkard Dregger. Zugleich nahm er die Berliner Polizei in Schutz. „Die Polizei hat die Lage voll im Griff.“

Man müsse die Prioritätensetzung der Polizei verstehen. „Die Polizei hat gerade primär die Aufgabe, jüdische Einrichtungen zu schützen. In dieser außerordentlichen Lage Personen abzuziehen für einen solchen Einsatz, kann nicht sein.“

Indirekt kritisierte Dregger Luthe für die Anmeldung der Demonstration. „Ich erwarte ein gewisses Verantwortungsbewusstsein aller in dieser Situation. Das heißt auch, man schont Einsatzkräfte, wenn möglich.“ Auch der Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco verteidigte die Einsatzkräfte. „Ich habe vollstes Verständnis für die Einschätzung der Berliner Polizei, die zurzeit ohnehin genug zu tun hat.“ Franco warf Luthe eine „auf Provokation ausgelegte Ego-Show“ vor. „Das ist verwerflich und trägt vor allem nicht zur Deeskalation bei“, sagte Franco.

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