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Kurzanleitung fürs "Drag-King-Sein", das Theaterstück "Diane for a Day" im Theater Thikwa in Kreuzberg.

© Julian Besch

Stück "Diane for A Day" im Theater Thikwa: Mann sein für einen Tag

Das Theaterstück "Diane for A Day" im Theater Thikwa: über Feminismus, Körperlichkeit und Männerklischees.

"Echte Männergefühle sind einfach so groß und müssen raus", singen die acht Frauen sitzend in dem kleinen Proberaum des Theater Thikwa im Bergmannkiez in Kreuzberg. Ihr Gesang ist theatralisch, laut, hier und da reißen sie die Hände in die Luft, um ihren männlichen Schmerz freien Lauf zu lasse – dem Gefühl alleine dem großen Weltschmerz ausgesetzt zu sein, große Kunst schaffen zu müssen. In „Diane for a day“ geht es um Männerklischees, mit denen die Gruppe spielt.

Was sind männliche Privilegien, wie äußern sie sich und wie nehmen Männer Frauen wahr? Einige Fragen, die die vier Performerinnen Laura Besch, Jule Gorke, Katharina Siemann und Marie Weich des Berliner Kollektivs hannsjana in ihrer Arbeit "Diane For a Day" stellen und das als Drag Kings.

Männerklischees von Frauen gespielt

Angelehnt an die Drag Queen-Kultur lernen Frauen in Workshops für Drag-Kings männliche Posen, kostümieren sich als Männer, malen oder kleben sich einen Bart ins Gesicht. Bekannt wurde das Drag-King-Prinzip durch die kanadisch-schottische Künstlerin Diane Torr, die in den 90er Jahren den Begriff etablierte und Workshops unter dem Namen "Man for A Day" anbot.

Und so findet sich ihre Pioneerarbeit auch im Titel des Theater-Stückes von hannsjana wieder, "Diane for A Day." Eine Kurzanleitung für das "Drag-King-Sein" gibt es im Programmheft zum Stück auch: "Mit Kleingeld klimpern" steht da zum Beispiel, denn das zeige, dass man Geld habe und der Geschäftsmann im Raum sei. Auch eine typisch männliche Pose, die den Platzhirsch gleich markiert: Hände in die Hüfte, Finger nach vorne gespreizt – hier steht jemand, der ganz genau weiß, was er will.

Die Platzhirsche: "Das Spiel mit Identitäten über Masken ist ein wichtiger Teil all unserer Performances".

© Julian Besch

Die vier gehen in ihrer Arbeit noch weiter, nicht nur sind sie und ihre vier Mit-Performerinnen des Theater Thikwa als Männer verkleidet, auch die wortwörtlichen Platzhirsche finden sich in ihrem Stück in Form von überdimensionalen, comichaften aus Pappmaché gebauten Hirschkopfmasken wieder. "Das Spiel mit Identitäten über Masken ist ein wichtiger Teil all unserer Performances", erzählt Marie Weich und fügt hinzu, "Politische Sachverhalte oder feministische Diskurse lassen sich über Stellvertreter*innen einfacher kommunizieren und Hirsche bedienen nun mal viele männliche Klischees.

"Männliche" Lieder als Inspiration

Sie kämpfen um Hirschkühe, darum, wer das Sagen in der Gruppe hat." Die studierte Theaterwissenschaftlerin schreibt und komponiert auch die Lieder, die in all ihren Produktionen vorkommen, wie "Echte Männergefühle", "Wir haben uns eigentlich aus jedem Genre wie Schlager, Pop, Heavy Metal, Lieder rausgesucht, die besonders männlich sind und uns inspiriert haben."

Was sind männliche Privilegien, wie äußern sie sich und wie nehmen Männer Frauen wahr?

© Julian Besch

Das Thikwa ist ein Inklusionstheater mit angebundener Kunstwerkstatt. Viele der Menschen, die hier arbeiten oder zu Schauspielern ausgebildet werden, sind behindert, wie auch die vier Mitstreiterinnen Sabrina Braemer, Jasmin Lutze, Laura Rammo und Mereika Schulz des Kollektivs bei "Diane for a day". "Unsere Thikwa-Performerinnen sind professioneller als wir", erzählen die Frauen von hannsjana, "Keine von uns ist eine klassisch ausgebildete Schauspielerin, wir haben uns das selbst angeeignet, aber wissen wenig über Probeprozesse am Theater."

Die schönen Seiten der Männlichkeit

Teile haben die Thikwa-Schauspielerinnen selbst geschrieben, alles, was auf der Bühne passiert, ist gemeinsam entstanden. "Unsere Kolleginnen waren viel freundlicher den Männerklischees gegenüber, mit dem Argument dass auch Männlichkeit schöne Seiten hat, wie Zärtlichkeit untereinander. Eine Sicht, die wir ohne die Zusammenarbeit weniger auf die Bühne gebracht hätten, ging es uns mehr darum, männliche Privilegien auszustellen", erzählt Laura Besch, die am Thikwa auch als Assistenz der künstlerischen Leitung arbeitet und ebenfalls Teil von hannsjana ist.

Die Schauspielerinnen des Künstlerkollektivs hannsjana.

© Julian Besch

Menschen mit Behinderungen sind so gut wie nicht sichtbar im deutschen Theater- sowie Kulturbetrieb. Dass sie wie nicht behinderte Menschen auf die Bühne und in den Betrieb gehören, zeigt die Performance "Diane for a day" auch – ohne pädagogisch daher zu kommen. Feministisches Theater hingegen ist zumindest in einigen Teilen der freien Berliner Theaterszene angekommen, allen voran die Sophiensaele in Berlin Mitte.

"Staatliche Theater sind konservativer"

Seit zwei Jahren findet dort auch ein feministisches Theaterfestival statt, das dieses Jahr unter dem Namen "Freischwimmer*innen. The future is female" läuft, bei dem auch hannsjana Ende November mit einer neuen Produktion mitmacht. "Es ist ganz wichtig, was gerade in der freien Szene passiert und grenzt sich auch stark ab zu dem, was in staatlichen Theatern der Stand ist, die weit konservativer und fest in männlichen Händen sind", sagt Marie Weich. Die meisten Theater in Deutschland werden von Männern geleitet – von den großen bis zu den kleineren Häusern. In den Augen hannsjanas wird es noch etwas dauern, bis auch in Stadttheatern Frauen gleichberechtigt vorkommen.

Am Donnerstag gastiert "Diane for a Day" im Kreuzberger Theater Thikwa.

© Julian Besch

Die acht Performerinnen wissen in den Bann zu ziehen, sie lassen ihre Hüften kreisen, ziehen ihr imaginäres Publikum im Proberaum mit ihren Blicken aus und führen in Monologen verschiedene Archemänner der Moderne vor. Einer von ihnen ist Joe, ein Singer-Songwriter und so sensibel, dass er sich sicher ist, dass seine Ex-Freundin immer noch stark unter ihrer Trennung leidet. Start-Up-Unternehmer und Gründer Mark setzt sich hingegen für die Gleichberechtigung von Frauen mit "FemAle" ein – ein Bier das pink und leicht zu tragen sein soll, damit Frauen, ihren Kasten Bier die Treppen selbst hochtragen können.

Vielen Männern sind ihre Privilegien nicht bewusst

"Wir sind erstmal von unserer Blase ausgegangen, die sich eher in der linken freien Theaterszene abspielt, deshalb tritt mit Jonas ein linker Student auf, der aber auch die Meinung vertritt, dass Revolutionen über Hammer und Sichel funktionieren und nicht über das Gendersternchen," erzählt hannsjana-Performerin Katharina Siemann.

Die Premiere feierte "Diane for a Day" im Herbst 2018, einige Vorstellungen folgten, sogar eine kleine Tour im Sommer durch Deutschland und Polen - die Vorstellungen waren oft ausverkauft, "Viele männliche Zuschauer sind danach bestürzt", erzählen sie etwas belustigt, "Da die meisten ihre Privilegien gegenüber uns Frauen gar nicht wahrnehmen." Für eine weitere Vorstellungen gastiert hannsjana nun nochmal im Thikwa, und das mit geballter Drag-Männlichkeit.

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