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Polizei Berlin (Symbolfoto)

© Paul Zinken/dpa

Update

Hooligan postet Video eines sterbenden Polizisten: Mann filmt Beamten kurz vor dessen Tod und verspottet ihn

Ein 60-jähriger Polizist erlitt einen gesundheitlichen Zwischenfall. Ein Passant filmte und machte sich lustig. Dem Mann droht ein Verfahren.

Es sind unfassbare Szenen: Ein 60-Jahre alter Polizeibeamter hat nach einem gesundheitlichen Zwischenfall am frühen Mittwochmorgen mit seinem Einsatzwagen einen Unfall gebaut, kämpfte um sein Leben – und ein Mann filmte den Polizisten, machte sich über ihn lustig. Ein Hooligan, von dem nicht klar ist, ob er gefilmt hat, verbreitete das Video später bei Instagram. Geholfen hat der Gaffer dem Beamten jedenfalls nicht, er starb später in einem Krankenhaus.

Laut Polizei hat sich der Polizist in einer „medizinischen Notsituation“ befunden, er war mit dem Einsatzwagen in Pankow unterwegs, der Unfall soll sich gegen 3 Uhr am Mittwoch zugetragen habe. Der Gaffer filmte den Beamten aus direkter Nähe durch das Seitenfenster. Das Video zeigt, wie der Polizist nach dem Unfall hinter dem Steuer scheinbar unkontrolliert gestikuliert und nach Luft ringt, zudem trat er das Gaspedal durch.

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Dem Augenschein nach erlitt er einen Anfall. Der Gaffer aber feixte und bezeichnete den Beamten als „völlig besoffen“ und rief ihm zu: „Gib Gas, hau ab, die Bullen kommen gleich.“ Dass er einem Mann beim Sterben zuschaut, ihm das Leben retten müsste, war dem Mann  in diesem Moment offenbar nicht klar. Auch als andere Polizisten eintrafen, filmte er weiter.

Am späten Mittwochabend reagierte die Berliner Polizei. „Die Verbreitung dieses Videos ist geschmacklos und strafbar. Ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung wird geprüft“, erklärte die Polizei bei Twitter. „Unser Kollege ist kurz nach den Aufnahmen verstorben.“ Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte, ihre Gedanken seien bei den Angehörigen, denen sie viel Kraft und Halt.

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Zu den Aufnahmen fand Slowik sehr deutliche Worte. „Dieses Video ist abscheulich, die Veröffentlichung unerträglich! Es macht mich fassungslos und wütend.“ Selbst wenn der Filmer die Situation falsch eingeschätzt haben sollte, „ist es widerwärtig, ein solches Video zu erstellen, um damit einen hilflosen Menschen – einen hilflosen Menschen in Uniform – herabzuwürdigen“, erklärte Slowik. „Es ist widerwärtig, dass der Wert der Followerzahl und die vermeintliche Möglichkeit, die Polizei Berlin in den Schmutz zu ziehen, offenbar wichtiger war, als die Würde unseres Kollegen, eines Menschen, zu respektieren.“

„Schlichtweg unerträglich“

Der Mann, der das Video bei Instagram veröffentlicht hat, erklärte auf der Plattform gegen Mitternacht: Weil der Polizist gestorben sei, habe er das Video gelöscht. Zudem bat er um Entschuldigung dafür, dass er das Video gepostet hat.

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Am Donnerstag verbreite der Mann, der sich augenscheinlich im Hooligan-Umfeld von Hertha BSC bewegt, dann Videos zum bevorstehenden Derby gegen den 1. FC Union Berlin. Unter den zahlreichen Tattoos auf seinem Oberkörper findet sich auch dieser Schriftzug: „Fuck Antifa.“

Laut Polizei war am Donnerstagmittag noch unklar, ob der Mann, der das Video gemacht hatte, bereits identifiziert werden konnte. Die Polizei hatte den Mann beim Unfall aber offenbar nicht gleich überprüft und dessen Identität festgestellt. Der oder die Urheber des Videos würden nun ermittelt, hieß es am Abend.

Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte: „Es schockiert uns, dass man lieber zum Smartphone greift und draufhält, anstatt einem offensichtlich in Not geratenen Menschen zu helfen.“ Dass derartige Aufnahmen aus der reinen Gier nach Klicks und Aufmerksamkeit in den sozialen Medien verbreitet werden, „zeige einen mittlerweile stark verbreiteten digitalen Narzissmus, der strafrelevante Folgen haben muss“.

Auch von anderen Gewerkschaften und Berufsverbänden kam Kritik. „Wie widerlich! Da erleidet ein Kollege einen tödlichen Schlaganfall und statt zu helfen wird ein Video ins Netz gestellt“, sagte Bodo Pfalzgraf, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Es sind auch die Angehörigen, die dieses Video sehen. Die Verwahrlosung in der Gesellschaft ist unfassbar weit.“

Daneben äußerte sich auch der Polizei-Berufsverband Unabhängige. „Es ist schlichtweg unerträglich, dass Angehörige und unmittelbare Kollegen des Verstorbenen anschließend im Netz mit den schrecklichen Bildern konfrontiert werden“, sagte Verbandschef Mirko Prinz. „Dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung und wir hoffen, dass der Täter rasch ermittelt wird.“

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