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Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen sollen „vergesellschaftet“, also gegen eine Entschädigung per Landesgesetz enteignet werden.

© Paul Zinken/dpa

Update

„Man kann es den Menschen nicht verdenken, dass sie Angst haben": Enteignungs-Initiative rechnet mit neuem Schwung nach Mietendeckel-Entscheidung

Noch bis zum 25. Juni sammeln die Initiatoren von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ Unterschriften. Sie hoffen, vom Mietendeckel-Aus zu profitieren.

Nachdem der Mietendeckel gestern von acht Richter:innen des Bundesverfassungsgerichts einstimmig für verfassungswidrig erklärt wurde, ist der Frust unter vielen Mieter:innen groß. Doch der Kampf gegen überteuerte Wohnungen geht weiter: Die Initiatoren des Berliner Volksbegehrens "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" rechnen nach dem juristischen Aus für den Mietendeckel mit neuem Schwung für ihre seit 26. Februar laufende Unterschriftensammlung.

Das lässt sich gut an der Anzahl der Google-Suchanfragen nach „Deutsche Wohnen enteignen“ erkennen: Seit gestern haben sich die Zahlen mehr als vervierfacht. Das Berliner Volksbegehren verzeichnet riesige Zuläufe. Michael Prütz, Mitinitiator der Initiative, hat alle Hände voll zu tun: „Unsere Social-Media-Kanäle explodieren, wir haben allein an einem Tag 4000 neue Follower auf Instagram“ berichtet er. Von User:innen kommt großer Zuspruch. „Wir sind die einzige verbliebene Option für viele Mieter:innen. Die Landespolitik hat ihre Möglichkeiten ausgeschöpft.“ erklärt sich das der Aktivist.

Auch Dutzende Spenden und über fünfzig neue Unterstützer:innen bei der Unterschriftensammlung seien zusammengekommen, so der Sprecher Rouzbeh Taheri gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben viel Unterstützung von Parteien, Privaten und Gewerkschaften – wir bleiben allerdings eine Basisinitiative.“

Viele Menschen seien wütend und wollten etwas tun, sagte Taheri. „Sie haben gesehen, dass wir eine erfolgreiche Initiative sind und setzen ihre Hoffnung auf uns.“ Aktuell läuft die Unterschriftensammlung der zweiten Phase des Volksbegehrens. Von den rund 175.000 benötigten Unterschriften waren Ende März nach Angaben der Initiative knapp 50.000 gesammelt worden. Die Aktion läuft noch bis zum 25. Juni.

Eine Vergesellschaftung ist aber noch lange nicht sicher, selbst wenn genug Unterschriften zusammenkämen und ein anschließender Volksentscheid erfolgreich ausfiele. Dieser würde parallel zur Wahl des Abgeordnetenhauses und des Bundestages am 26. September stattfinden. Seitens Immobilienwirtschaft, FDP und CDU regt sich vehementer Widerstand – mit Klagen ist zu rechnen. Eine weitere Niederlage vor Gericht wäre für Mieter:innenverbände fatal.

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Diese Angst teilen die Initiator:innen allerdings nicht. „Alle glaubwürdigen Gutachten, wie das des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, sehen die Möglichkeit einer Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes“, so Taheri. Streit werde es nur um die Einzelheiten wie die Entschädigungen geben, so Prütz. Klar ist eines: Die Frage nach der Zukunft der Mieten vieler Berliner:innen wird beim Wahlkampf in diesem Jahr eine zentrale Rolle spielen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte das Berliner Mietendeckel-Gesetz in einem am Donnerstag verkündeten Beschluss für nichtig erklärt. Für das Mietrecht sei der Bund zuständig, daneben dürfe es kein Landesgesetz geben. Das Ende des Mietendeckels sei für viele Menschen ein schwerer Schlag, sagte Taheri. Deshalb sei zu befürchten, dass die Debatten um die Mieten in der Stadt nun noch schärfer und radikaler geführt werden. „Man kann es den Menschen nicht verdenken, dass sie Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren, die für sie gerade in Corona-Zeiten so wichtig ist“, so Taheri. „Wir wollen die Wut auf einen konstruktiven Weg kanalisieren.“ (mit dpa)

Francesco Schneider-Eicke

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