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Zu einem Riesenkonzern mit gut 500 000 Wohnungen wird Vonovia nach der Übernahme des Konkurrenten Deutsche Wohnen.

© Roland Weihrauch/dpa

Brief an Bundeskanzlerin: Linke „empört“ über Steuerfreiheit bei Vonovia-Deutsche Wohnen-Fusion

Vonovia wäre nach der Übernahme der Deutsche Wohnen im Besitz von 500.000 Wohnungen. Steuern fielen nicht an, kritisiert die Linke. Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt bezeichnete den Deal als „traurig“. 

Von Sonja Wurtscheid

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, und Berlins Kultursenator Klaus Lederer (ebenfalls Linke) haben die absehbare Steuerfreiheit bei der Übernahme der Deutsche Wohnen durch die Vonovia scharf kritisiert. 

In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bauminister Horst Seehofer (CSU) schreiben die Linken-Politiker, sie seien „empört“ darüber, „dass in Ihrer Grunderwerbsteuerreform weiterhin Steuerschlupflöcher enthalten sind, die eine Milliardenübernahme komplett steuerfrei ermöglichen und damit eine massive Steuerungerechtigkeit zur Folge haben.“

Für das Land Berlin bedeute die im April neu beschlossene Grunderwerbsteuer „absehbar massive Steuerausfälle“, heißt es in dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt. Vonovia müsste bei der Fusion mit Deutsche Wohnen keine Grunderwerbssteuer zahlen, kritisieren Bartsch und Lederer. Anders als Privatpersonen zahlt die Vonovia für den Erwerb von rund 90.000 Wohnungen nicht einen Cent Grunderwerbsteuer an das Land Berlin.

Schätzungen zufolge wäre bei Veranlagung des in Berlin geltenden Steuersatzes von sechs Prozent eine Summe von rund einer Milliarde Euro fällig geworden. Geld, das der klamme Berliner Landeshaushalt gut hätte gebrauchen können. Zumal für den Kauf von 20.000 Wohnungen, die das Land selbst von der Deutsche Wohnen übernehmen wird, Ausgaben in Milliardenhöhe fällig werden.

Das kritisieren auch Bartsch und Lederer in ihrem Brief: „Rund eine Milliarde Euro entgehen dem Land Berlin, weil Sie das bekannte Steuerschlupfloch nicht geschlossen haben.“ Steuerfreiheit bei „Share Deals“ sei weiterhin möglich.

[Lesen Sie mehr mit Tagesspiegel-Plus: Ins Herz von Rot-Rot-Grün – Berliner Koalition ringt um Position zu „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“]

Fraktionschef Dietmar Bartsch ist Spitzenkandidat der Linken für die Bundestagswahl 2021. 
Fraktionschef Dietmar Bartsch ist Spitzenkandidat der Linken für die Bundestagswahl 2021. 

© imago images/photothek

Möglich wird das durch das Gesetz zur Grunderwerbssteuer der Bundesregierung: „Mit diesem Steuerschlupfloch umgehen Immobilienkonzerne bei Übernahmen bewusst die Grunderwerbsteuer für Immobilienvermögen.“ 

Grunderwerbssteuer fällt erst bei 90 Prozent Beteiligung an

Mit Blick auf Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia heißt das aus Sicht der Linken-Politiker: „Es werden zunächst maximal 89,9 Prozent der Anteile der Deutsche Wohnen übernommen, der Rest wird über die französische Bank Société Générale abgewickelt. Nach Ablauf von zehn Jahren kann Vonovia die verbleibenden Anteile dann komplett steuerfrei übernehmen.“

Die neue Grunderwerbssteuer verpflichtet Konzerne zur Zahlung von Steuern erst ab einer Mindestbeteiligungsquote von 90 Prozent. „Ein solches Steuersparmodell für Immobilienkonzerne ist weder notwendig noch gerecht gegenüber Einzeleigentümern und der Allgemeinheit“, heißt es weiter.

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Für rund 18 Milliarden Euro wolle der Immobilienkonzern Vonovia seinen vormaligen Konkurrenten Deutsche Wohnen übernehmen. 500.000 Wohnungen wären so insgesamt im Besitz von Vonovia, wie die Linken-Politiker schreiben. Angesichts der in vielen Regionen des Landes „explodierten“ Preise für Miet- und Eigentumsobjekte werde bezahlbares Wohnen „für immer mehr Menschen zu einer Illusion“.

Florian Schmidt: „Klassischer Hinterzimmerdeal“

Florian Schmidt, grüner Baustadtrat im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.
Florian Schmidt, grüner Baustadtrat im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

© imago images/Jochen Eckel

Auch der Bezirksstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, übte Kritik an der Fusion. „Der ganze Deal ist in meinen Augen etwas traurig“, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel. „Erstens, weil es ein klassischer Hinterzimmerdeal zwischen SPD und Wirtschaft ist, wie ihn die Sozialdemokraten schon häufiger durchgeführt haben. Zweitens, weil gleichzeitig ein ShareDeal stattfindet und die Vonovia eine Milliarde Euro einspart. Das macht die Sache noch trauriger.“

Die Fusion könnte den Wohnungsmarkt weiter anspannen. „Hierbei handelt es sich um ein generationenübergreifendes Problem. Familien mit Kindern finden kein bezahlbares Wohneigentum, ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger keine bezahlbare, barrierefreie Mietwohnung, Studierende kein bezahlbares Zimmer im Umfeld ihrer Hochschule“, argumentieren Bartsch und Lederer.

Abschließend fragen sie: „Halten Sie die diesbezügliche Gesetzeslage für vernünftig? Falls nicht, appellieren wir an Sie, dieses Steuerschlupfloch, das Konzerne gegenüber Familien und anderen Einzeleigentümern exorbitant bevorteilt und der Allgemeinheit schadet, noch vor Bundestagswahl zu schließen.“

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