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Blauer Himmel ist im Grunewald zwischen den Bäumen zu sehen.

© Paul Zinken/dpa

Lichte Kronen statt sattem Grün: Nur noch sieben Prozent der Bäume in Berlin sind gesund

Den Berliner Wäldern geht es so schlecht wie noch nie. Ein Mischwaldprogramm soll helfen – doch das wird Zeit brauchen.

Den Kiefern geht es ganz besonders dreckig – nur noch fünf Prozent sind richtig gesund. Dabei gehören sie zu den meistverbreiteten Gehölzen in Berlins Wäldern. Im Grunewald machen sie 56 Prozent des Baumbestandes aus.

Schon vergangenes Jahr, nach zwei Dürresommern, waren die Wälder in der Hauptstadt in so schlechtem Zustand wie noch nie seit Beginn der Erhebung 1991. In diesem Jahr, mit einem weiteren trockenen Sommer in den Wurzeln, gab es keine Erholung für die Bäume. „Der Berliner Wald leidet sicht- und messbar unter der Erderhitzung“, sagte Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) am Montag während der Vorstellung des neuen Waldzustandsberichts per Videoschalte.

Dabei werde die Bedeutung der Wälder besonders in der Pandemiezeit eindrucksvoll belegt. „Ich war auch gestern hier im Wald, und so viele Menschen, wie mir da im Moment begegnen, habe ich noch nie erlebt“, sagte Günther.

Bei Spaziergängen durch Grunewald oder Wuhlheide könnten der ein oder anderen Besucherin bereits im Sommer die luftigen Kronen aufgefallen sein. „Die Bäume reagieren auf äußere Einflüsse mit dem Abwerfen von Blättern oder Nadeln, das nennt man dann die Kronenverlichtung“, erklärte Katja Kammer vom Forstamt Grunewald während der Online-Pressekonferenz.

Um herauszufinden, wie es dem Berliner Wald geht, werden jährlich an 41 Messpunkten rund 1000 Bäume stichprobenartig begutachtet – „Inventur“ nennt Katja Kammer das. Dabei würden die sichtbaren Merkmale bewertet werden. Dazu zähle die Vergilbung, die aktuelle Fruchtbildung, Schäden in der Rinde sowie der Insekten- oder Pilzbefall.

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Dieses Jahr sei der Mistelbefall bei Kiefern und anderen Baumarten besonders auffällig gewesen, sagte Kammer. Misteln sind Parasiten. Sie sehen als um die Äste geschlängelte Gewächse zwar ganz schön aus, entziehen ihrem Wirt aber Wasser und wichtige Mineralsalze.

Eine gute Nachricht: Der Eiche geht es besser

Irgendwas hat fast jeder Baum: Der Anteil der Bäume, die komplett gesund sind, liegt nur noch bei sieben Prozent, ein Prozent weniger als 2019. Deutliche Schäden weisen 36 Prozent auf – genau wie im vergangenen Jahr. Leichte Schäden zeigen 57 Prozent, ähnlich wie bei der Erhebung 2019. Das Baumsterben hat mit 2,7 Prozent einen neuen Höchststand erreicht – 2019 waren es noch 1,7 Prozent.

Eine gute Nachricht gibt es aber: „Der Kronenzustand der Eichen hat sich erheblich verbessert“, verkündete Senatorin Günther. Elf Prozent der Eichen sind mittlerweile ohne Schäden, 2019 waren es fünf Prozent. Zwar zeigen 43 Prozent deutliche Schäden, doch im Jahr zuvor waren es noch 59 Prozent. Grund dafür könnte sein, dass die Eiche anfängt, sich anzupassen und auch „Phasen ohne Niederschlag halbwegs zu überstehen“, vermutete Elmar Lakenberg, Leiter vom Berliner Forstamt.

Derzeit werde an Konzepten gearbeitet, wie mehr Wasser im Wald gehalten werden könne. Dass Regenwasser in die Gullys auf nahe gelegenen Straßen ablaufe, statt in den Wald, wäre zum Beispiel völlig unnötig. Berlin hatte im Zweiten Weltkrieg beinahe die Hälfte seiner Waldflächen verloren: 3500 Hektar waren zur verstärkten Rohstoffdeckung abgeholzt, doch nicht wieder nachgepflanzt worden.

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Zwischen 1949 und 1959 wurde aufgeforstet, vor allem mit Kiefern, weil die schnell wachsen und Holzmasse zulegen. Doch solche Monokulturen sind besonders anfällig für Schädlinge und Unwetter. Um den neuen veränderten Klimabedingungen zu trotzen, wird auf Mischwälder gesetzt. Der Mix aus verschiedenen Baumarten und Altersstufen erhöht die Resilienz, der Wald soll sich besser und schneller regenerieren können. Doch das wird Jahrzehnte dauern.

Drei Millionen Euro für den Schutz der Wälder

2019 und 2020 wurden jeweils mehr als 400.000 Bäume gepflanzt. Darunter vor allem Laubbaumarten wie Eichen, Buchen, Hainbuchen, Linden und Ahorne. Zudem werde mehr in die Waldbrandvorsorge und Überwachung investiert, sagte Lakenberg. Im Waldzustandsbericht steht, dass für Waldumbau, Waldbrandvorsorge, Pflege und Sicherung den Berliner Forsten bis Ende 2021 zusätzlich drei Millionen Euro zur Verfügung stünden.

Außerdem gebe es 20 zusätzliche Stellen für Fachkräfte, „um die wachsenden Aufgaben der Verkehrssicherung in den Erholungswäldern und den Umbau zu klimastabilen naturnahen Mischwäldern zu bewerkstelligen“. Und es gibt weitere Hoffnung: „Nach den Herbstbepflanzungen aus 2019 haben auch bis jetzt, trotz der erneuten Trockenheit, über 80 Prozent der gepflanzten Bäume überlebt und leben noch“, sagte Elmar Lakenberg.

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